Weltblutspendetag
Das Blut wird knapp
Sprachen die Blutspendedienste zu Beginn der Corona-Pandemie noch von einer überwältigenden Blutspendebereitschaft, treiben ihnen die aktuellen Spenderzahlen die Sorgenfalten auf die Stirn. Denn jetzt, wo die Kliniken wieder ihren Regel- und damit OP-Betrieb hochfahren, ist ungewiss, ob die Blutkonserven ausreichen. Sorgen bereitet ihnen aber auch, dass es so wenige junge Spender gibt.
Veröffentlicht:Berlin. Pufferbestände an Blutkonserven können die Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) derzeit so gut wie gar nicht aufbauen. Denn die Versorgung der Kliniken mit Blutkonserven laufe am unteren Limit, sagt Patric Nohe, Pressesprecher beim DRK-Blutspendedienst.
Erst im Mai hatten einzelne regionale Spendedienste des DRK Alarm geschlagen. Der Grund: Nach dem Corona-Shutdown dürfen die Kliniken ihren Regelbetrieb nun wieder schrittweise hochfahren. Insbesondere der OP-Betrieb läuft jetzt wieder voll an. Wegen der Knappheit an Blutkonserven nochmals verschoben werden müssten bislang zwar keine Eingriffe, meint Nohe. „Bisher können wir die Blutversorgung gewährleisten.“ Aber es sei wichtig, dass die Bevölkerung weiter zur Blutspende ginge. Denn die Bereitschaft dazu hat deutlich nachgelassen. Das berichtet nicht nur das DRK, sondern auch die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI).
„Riesengroße Welle der Solidarität“
„Die Menschen in den Kliniken sind 24 Stunden sieben Tage die Woche auf Blutspenden angewiesen, da hängen wirklich Menschenleben dran“, appelliert Nohe – gerade auch mit Blick auf die noch zusätzlich anstehende alljährliche Flaute bei der Spendenbereitschaft in den Sommermonaten.
Die Corona-Pandemie macht es den Spendediensten und Spendewilligen dabei zwar nicht leicht. Doch insbesondere zu Beginn der Pandemie hat das die Menschen nicht vom Spenden abgehalten. Ganz im Gegenteil: „Es gab bundesweit eine riesengroße Welle der Solidarität“, so Nohe, darunter viele Erstspender. Allerdings hatte auch diese Spendewelle einen kleinen Schubs gebraucht.Denn ganz am Anfang der Corona-Krise habe es durchaus starke regionale Einbrüche bei den Spendezahlen gegeben, erklärt er. Die Menschen seien verunsichert gewesen. „Aber die Politik hat schnell reagiert“, sagt Nohe, „und klargestellt, dass die Blutspende nicht von den Ausgangssperren betroffen ist.“ Wichtig sei zudem gewesen, dass auch die Blutspendedienste, Fachgesellschaften und Mediziner erklärt hätten, dass kein erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht.
Entwarnung auch vom Arbeitskreis Blut
Auch der Arbeitskreis Blut des Bundesministeriums für Gesundheit hatte bereits Mitte März in einer Stellungnahme Entwarnung gegeben: „Es ist grundsätzlich nicht von einer erhöhten Infektionsgefahr bei Spendeterminen auszugehen“, jedenfalls solange die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zu den „allgemeinen Prinzipien der Risikoeinschätzung und Handlungsempfehlung für Veranstaltungen“ beachtet würden.
Doch das Problem ist nicht nur die Angst vor einer Infektion, wie auch der Arbeitskreis feststellt, es fehlt zum Teil einfach an niedrigschwelligen Spendemöglichkeiten. Turnhallen, Schulen, Gemeindesäle im ländlichen Raum waren und sind größtenteils auch jetzt noch für die Blutspendedienste geschlossen, berichtet Nohe. „Wir haben sonst auch viele Firmen, in denen es Blutspendeaktionen gibt.“ Doch auch diese hatten ihre Standorte weitgehend dicht gemacht und Mitarbeiter ins Homeoffice oder in Kurzarbeit geschickt. Wegen der Abstandsregelungen seien zudem die Blutspendemobile des DRK erst einmal weggefallen.
Ansteckung unwahrscheinlich
Sorge, dass die Spende für den Empfänger der Bluttransfusion in Sachen SARS-CoV-2 kritisch sein könnte, schien es eher weniger zu geben. Aber auch hierzu hatte der Arbeitskreis Blut bereits im März festgestellt, dass es keinen wissenschaftlichen Grund gebe, anzunehmen, dass SARS-CoV-2 durch Blutprodukte oder Plasmaderivate übertragen werden könne. Diese Stellungnahme hat bislang Bestand.
Eine transfusionsbedingte Übertragung des Erregers ist ebenso wenig beschrieben worden, wie bei anderen viralen Atemwegserkrankungen asymptomatischer Spender. Plasma zur Transfusion und Thrombozytenkonzentrate werden auch deshalb als unkritisch hinsichtlich der Coronavirus-Übertragung angesehen, weil es sich um umhüllte Viren handelt, die mit Verfahren zur Pathogenreduktion sicher inaktiviert werden können. Die Testung von Spenden auf SARS-CoV-2 wird daher weder als sinnvoll noch als durchführbar erachtet.
Unabhängig davon gelten weiter die Regeln zur Spenderauswahl, die in der Hämotherapie-Richtlinie formuliert sind. Demnach sind auch unspezifische Anzeichen eines Infekts Gründe, die Blut- oder Plasmaspende nicht zuzulassen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als zuständige Bundesoberbehörde empfiehlt zusätzlich, potenzielle Spender für vier Wochen zurückzustellen, die Kontakt zu einem SARS-CoV-2-infizierten Menschen hatten. Wer selbst infiziert war, soll acht Wochen lang nicht spenden.
Spendeaufkommen sinkt seit Jahren
Doch Corona ist für die Blutspendedienste nur ein zeitlich begrenztes Problem. Insgesamt sinkt in Deutschland das Spendenaufkommen. Zählte das PEI in den Jahren 2000 bis 2014 noch nahezu durchgängig deutlich über 5300 Vollblutspenden pro 100.000 Einwohner und Jahr, waren es 2015 schon nur noch 5071 und 2018 sogar nur 4644 Vollblutspenden pro 100.000 Einwohner und Jahr.
Nohe hofft daher auf die jungen Erstspender während der Corona-Pandemie: Diese Erstspender bräuchte man wegen des demografischen Wandels auch künftig. Die Zahl der möglichen Blutspender zwischen 18 und 65 Jahren nimmt konstant ab, mahnt auch die DGTI. Gleichzeitig gebe es immer mehr ältere Menschen, die einen höheren Bedarf an Blutprodukten haben.
„Seit Jahren beobachten wir in den Kliniken eine Zunahme älterer Patienten, die deutlich mehr Blut brauchen als Jüngere“,sagt Professor Hermann Eichler, 1. Vorsitzender der DGTI. Es sei wichtig, „vor allem bei jüngeren Menschen für das Blutspenden zu werben“, denn bislang liege das Hauptaufkommen der Spender in der Altersgruppe der 45- bis 65-Jährigen. Gerade einmal knapp vier Prozent der spendefähigen Bevölkerung würde auch Blut spenden, so Eichler.