Diskriminierung?
Kippt das Blutspende-Verbot für Homosexuelle?
Schwule und bisexuelle Männer dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen Blut spenden. FDP und Grüne werten das als diskriminierend: Die Regierung müsse das Transfusionsgesetz dringend nachbessern.
Veröffentlicht:Berlin. Die Debatte um das Blutspendeverbot für homosexuelle und bisexuelle Männer in Deutschland nimmt erneut Fahrt auf. Anlass sind zwei Anträge der Fraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Darin fordern sie die Bundesregierung auf, das Transfusionsgesetz so zu ändern, „dass eine Diskriminierung potenzieller Blutspenderinnen und Blutspender“ künftig ausgeschlossen ist.
Jede Spende zähle, sagte der FDP-Politiker Jens Brandenburg bei einer Bundestagssitzung kürzlich in Berlin. Homo- und bisexuellen Männern sei es weiter grundsätzlich verboten, ihr Blut zu spenden. „Das ist nicht nur diskriminierend, sondern auch grob fahrlässig.“ Das Verbot schade allen, die auf eine Blutspende angewiesen seien.
Auch der Grünen-Abgeordnete Sven Lehmann mahnte eine Korrektur an. Anstelle „absurder Ausschlüsse“ sei das individuelle Risikoverhalten des potenziellen Spenders zu berücksichtigen.
Verbot gilt seit 1980er-Jahren
Das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), hat seinen Ursprung in der „Aids-Krise“ der 1980er Jahre. Seit Inkrafttreten der Hämotherapie-Richtlinie 2017 dürfen schwule, bisexuelle und transsexuelle Männer zwar wieder Blut spenden, aber nur nach einer Wartefrist von zwölf Monaten seit dem letzten Sexualverkehr. Das Spendeverbot wird damit begründet, dass das Sexualverhalten der genannten Personen „ein Risiko für den Empfänger von Blutprodukten“ mit sich bringe.
Der FDP-Politiker Brandenburg nannte diese Regelungen lebensfremd und medizinisch überzogen. Jede Blutspende werde getestet. HIV-Infektionen seien „ab einem diagnostischen Fenster von sechs Wochen zuverlässig nachweisbar“.
Nur zwei bis drei Prozent der Bevölkerung spenden
Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden in Deutschland etwa 14. 000 Blutspenden pro Tag benötigt. Die FDP stellt in ihrem Antrag fest: „Die Sicherstellung der Versorgung mit den überlebenswichtigen Blutpräparaten wird jedoch zu einer immer größeren Herausforderung.“ Nur zwei bis drei Prozent der Bevölkerung spendeten regelmäßig Blut.
Wegen der Coronavirus-Pandemie habe sich die Situation weiter verschärft, so Brandenburg. Blutspendeaktionen in Firmen und Schulen fänden kaum noch statt. Auch das Deutsche Rote Kreuz hatte unlängst Alarm geschlagen. In vielen Regionen gingen den Blutspendediensten die Vorräte aus.
Union: Keine politische Frage!
Rudolf Henke (CDU) stellte klar, es sei fraglos, dass die medizinische Sicherheit der gewonnenen Blutspenden und die Sicherheit der potenziellen Empfänger „höchste Priorität“ haben müssten. Dieser Konsens habe auch mit der „Blutaids-Katastrophe“ zu tun. Damals hätten sich über 1500 Bluter mit HIV-infizierten Blutprodukten angesteckt, so der CDU-Politiker.
Das Blutspendeverbot sei keine politische Frage, betonte Henke. Im Kern handele es sich um eine „wissenschaftliche, medizinische und epidemiologische Frage“. Dass die an der Hämotherapie-Richtlinie beteiligten Fachleute der Bundesärztekammer oder des Paul-Ehrlich-Instituts eine Diskriminierung von Schwulen im Sinn hätten, weise er zurück. Das hätten diese Experten „nicht verdient“, betonte Henke.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat gleichwohl ein Türchen für eine Gesetzesänderung geöffnet. So enthält das zweite Pandemie-Gesetz auch einen Passus zum Transfusionsgesetz. Danach kann die Risikoeinschätzung, die zum „Ausschluss oder zur Rückstellung bestimmter Personengruppen“ von der Blutspende führt, im Lichte neuer medizinischer, wissenschaftlicher oder epidemiologischer Erkenntnisse aktualisiert werden.
Die Bundesärztekammer hatte das kritisiert. Fragen der Zulassung zur Blutspende seien in Ruhe und mit Augenmaß zu klären. (hom)