COVID-19
Plasma-Spende als Therapie: Studien laufen
Mit dem Auftauchen neuer Viren wird das alte Therapieprinzip der Transfusion von Rekonvaleszentenplasma wieder diskutiert. Erste klinische Studien laufen.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Eine Therapieoption für schwer kranke COVID-19-Patienten könnte die Transfusion des Plasmas von COVID-19-Rekonvaleszenten sein. Dies unter der Vorstellung, dass der Rekonvaleszent neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet hat, die den Heilungsprozess bei einem Infizierten unterstützen könnten. Es handelt sich um ein Behandlungsprinzip aus der Vor-Antibiotika-Ära und war vor mehr als 100 Jahren mit Erfolg bei Diphtherie angewandt worden.
Heute wird die Therapie mit Rekonvaleszentenplasma (RKP) verstärkt, aber kontrovers diskutiert, vor allem vor dem Hintergrund schwer verlaufender Infektionen mit neuen Viren. Bereits vor fünf Jahren hat der Arbeitskreis Blut des Bundesgesundheitsministeriums Empfehlungen für die praktische Umsetzung gegeben (Bundesgesundheitsbl 2015; 58:1371-1377).
Einsatz ohne Zulassung?
Demnach ist RKP als Fertigarzneimittel anzusehen, das im Falle einer gerichteten Anwendung für eine bestimmte Person keiner Zulassung bedarf und laut Zivilschutzausnahmeverordnung des Arzneimittelgesetzes ohne Zulassung in Verkehr gebracht werden darf. Gleichwohl hatte sich der Arbeitskreis in seinem Papier für eine exemplarische klinische Prüfung einer RKP-Therapie ausgesprochen, etwa während einer Grippesaison. Dies war bislang nicht erfolgt.
Und so fehlt es an belastbarer Evidenz. Zwar gab es während der Influenza-Pandemie 1918-1920 Studien mit insgesamt 1700 Patienten, diese genügen aber heutigen methodischen Ansprüchen nicht mehr. Im Jahre 2009 war im Zusammenhang mit der H1N1-Pandemie in Hongkong bei 20 intensivmedizinisch versorgten Patienten RKP eingesetzt worden, wodurch eine signifikant reduzierte Mortalität erzielt worden war.
In Houston, Texas, hat kürzlich eine Arbeitsgruppe 25 schwer an COVID-19 erkrankte Patienten mit RKP von neun genesenen Covid-19-Patienten behandelt. Primäres Studienziel war in erster Linie die Sicherheit der Therapie. Transfusionszwischenfälle gab es nach Angaben von Dr. Eric Salazar vom Houston Methodist Hospital und seinen Kollegen nicht. 19 der mit RKP behandelten Patienten verbesserten sich, zwei Wochen nach der Infusion waren bereits elf Patienten aus der Klinik entlassen worden. Allerdings lässt sich daraus keine Nutzenbewertung ableiten, zumal es keine Kontrollgruppe gab (Am J Pathol 2020; online, https://ajp.amjpathol.org/article/ S0002-9440(20)30257-1/pdf).
PEI: Anwendung nur im Rahmen von Studien
In Deutschland hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) „dringend“ empfohlen, die Behandlung von COVID-19-Patienten mit RKP nur im Rahmen von kontrollieren klinischen Prüfungen vorzunehmen. Für die Anwendung außerhalb von Studien müssten grundsätzlich alle Vorgaben für Plasmapheresespender in der Hämotherapie-Richtlinie berücksichtigt werden. Demnach sind Spenden frühestens vier Wochen nach vollständiger Genesung von COVID-19 oder zwei Wochen nach der letzten negativen PCR-Diagnostik aus einem Abstrich erlaubt, die spendenwillige Person muss Antikörper gegen Sars-CoV-2 aufweisen.
Nach Angaben des PEI gibt es „erste ermutigende Hinweise“ auf einen Nutzen der Anwendung von RKP bei schwer kranken COVID-19-Patienten. Im April war bereits eine klinische Studie genehmigt worden. Anfang Juni folgte die Genehmigung für eine weitere Phase-II-Studie (RECOVER) zur Sicherheit und Wirksamkeit SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper aus dem Blut Genesener. Empfänger sollen vor allem Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf sein, dazu zählen unter anderem Krebspatienten, medikamentös Immunsupprimierte und Patienten im Alter von über 75 Jahren. Verglichen wird die Behandlung in insgesamt neun Prüfzentren mit der antiviralen und unterstützenden Behandlung.
Zentrales Portal wünschenswert
Der Arbeitskreis Blut begrüße ausdrücklich diese Studien, erklärte die Vorsitzende Dr. Ruth Offergeld gegenüber der „Ärzte Zeitung“. Im Falle des Erfolges sei ein RKP-Programm empfehlenswert, so der Arbeitskreis und schlägt hierfür die Einrichtung einer zentralen Steuerungsgruppe mit Experten für Transfusionsmedizin, Infektiologen, Vertretern der Behörden und der Bundesärztekammer vor. Für eine Verteilung der in infektiologischen Krisen vermutlich knappen RKP-Ressourcen sei ein zentrales Portal wünschenswert.