RKI mahnt zu Disziplin

„Der wahrscheinlichste Ort einer Corona-Ansteckung bleibt Deutschland“

Das Robert Koch-Institut warnt davor, die bisherigen Erfolge gegen COVID-19 aufs Spiel zu setzen: Die Disziplin der Deutschen sinke, „rücksichtsloses“ Urlaubsverhalten macht dem RKI Sorgen. Und was ist mit der Testpflicht für Reiserückkehrer?

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Zeigt sich besorgt über den Anstieg der Infektionszahlen: RKI-Präsident Professor Lothar Wieler.

Zeigt sich besorgt über den Anstieg der Infektionszahlen: RKI-Präsident Professor Lothar Wieler.

© picture alliance/dpa

Berlin. Die Bevölkerung lässt die Disziplin im Umgang mit dem neuartigen Coronavirus schleifen. Grund: Die Menschen im Land empfinden SARS-CoV-2 als ein geringeres Risiko als noch im Frühjahr. Das geht aus einer Untersuchung des RKI und der Universität Erfurt hervor.

Die Akzeptanz von Abstand halten, Hygieneregeln einhalten und Alltagsmasken tragen sinke, hat der Präsident des Robert Koch-Instituts, Professor Lothar H. Wieler, am Dienstag in einer Pressekonferenz gewarnt. Von den Schulen erwarte er schlüssige Hygienekonzepte, wenn sie wieder öffneten. Die Schüler sollten in festen Einheiten unterrichtet werden, die sich untereinander nicht mischen sollten.

Noch monatelang mit Maske

In Deutschland seien die Zahlen im Steigflug. In den vergangenen sieben Tagen seien 3711 Infektionen in Deutschland festgestellt worden, im Schnitt 530 am Tag, sagte Wieler. „Ob das die zweite Welle ist, wissen wir nicht. Das kann aber sein“, sagte er. Noch seien keine flächendeckenden Ausbrüche zu beobachten.

Um die Zahl der Infektionen zu dämpfen, müssten sich die Menschen im Land voraussichtlich noch monatelang an die empfohlenen Verhaltensregeln halten. Parties oder unvorsichtiges Verhalten in Urlaubsgebieten nannte Wieler „rücksichtslos“.

Wieler betonte, dass Deutschland bislang sehr gut durch die Pandemie gekommen sei. Das ändere aber nichts daran, dass das Land und die ganze Welt „mitten drin“ im Ausbruchsgeschehen seien.

Test-Pflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten

Auch die Ansage von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Rückkehrer aus Risikogebieten zu Corona-Tests zu verpflichten, kam zur Sprache. Zu Beginn der Pandemie seien zahlreiche Infektionen „reiseassoziiert“ gewesen, sagte Ulrike Rexroth vom RKI. Während des Lockdowns sei dieser Wert gegen Null gegangen.

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Seit einigen Wochen seien Infektionen auch wieder auf Reisen zurückzuführen, Schätzungen zufolge um die zehn Prozent. „Der allerwahrscheinlichste Ort einer Ansteckung bleibt aber Deutschland“, sagte Rexroth.

Die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, hält die Testpflicht nicht für sinnvoll. „Einmalige Tests bieten keine Sicherheit. Im Gegenteil: Sie können zu falscher Sorglosigkeit führen“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). „Wer sich an einem der letzten Reisetage, zum Beispiel bei der Abschiedsparty am Strand, angesteckt hat, muss am Tag der Rückreise noch keinen positiven Befund haben.“

Begrenzte Test-Ressourcen

Der Infektiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) warnt derweil in einem Interview mit der „Welt“ vor einer Ressourcenknappheit. Entscheidend sei, die richtigen Personen rasch zu identifizieren, zu testen und ihnen schnell das Ergebnis mitzuteilen.

Aus Sicht des Berufsverbands der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) ist eine unkritische Testung aller Reiserückkehrer medizinisch-fachlich nicht sinnvoll und auch infektionsepidemiologisch von geringem Nutzen. Auch wenn die PCR-Testkapazitäten im Moment noch mehr als ausreichend seien, sei das kein Grund, diese auch auszuschöpfen, so der fachärztliche Berufsverband. „Die Kapazitäten wurden aufgebaut und werden vorgehalten, um analog der Situation auf den Intensivstationen im Falle einer deutlichen Zunahme des Infektionsgeschehens gut und sicher vorbereitet zu sein sowie kurzfristige Spitzen im Testgeschehen wie bei aktuellen regionalen Ausbrüchen abzudecken“, erklärt ALM-Vorsitzender Dr. Michael Müller. Ob beim generellen Testen von Reiserückkehrern Nutzen und Aufwand in einem angemessenen Verhältnis stünden, dürfe in Frage gestellt werden. Möglicherweise böte ein Konzept mit Fokus auf eine fallbezogene ‚Cluster-Isolierung‘ und konsequente zeitnahe Testung aller Kontaktpersonen eine weitere Verbesserungsoption.

RKI-Chef Wieler wies zudem darauf hin, dass alle aus einer als Risikogebiet eingestuften Region einreisenden Menschen derzeit verpflichtet seien, 14 Tage in Quarantäne zu bleiben. Daran sollten sie sich auch halten. (af/nös)

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