Faire Kassenwettbewerb-Gesetz
Diagnosevergütung bleibt legal, Rabatt-Austausch wird leichter
Die Koalition einigt sich auf den letzten Metern im Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz auf praxisnahe Regelungen. Proteste von Hausärzten und Verfechtern der HzV haben gefruchtet.
Veröffentlicht:Berlin. Aufatmen bei Verfechtern der Hausarzt-zentrierten Versorgung (HzV) und von Selektivverträgen: Die Verknüpfung von Diagnosen und Vergütung bleibt rechtlich zulässig. Ursprünglich wollte die Große Koalition dies mit dem Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG) für rechtswidrig erklären. HzV und andere Selektivverträge wären dadurch nach Ansicht von Krankenkassen und Ärzteverbänden finanziell in schwere Wasser geraten. Jetzt rudern Union und SPD zurück.
In einem Änderungsantrag zum FKG-Entwurf haben sich die Koalitionäre verständigt, es beim Status quo zu belassen. „Die bislang enthaltenen Regelungen zur Neuformulierung des Verbots der Diagnosevergütung werden gestrichen“, heißt es in dem Antrag, der der „Ärzte Zeitung“ vorliegt.
Hintergrund des geplanten Verbots war der Upcoding-Vorwurf : Kassen versuchten Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu optimieren. Deshalb hieß es ursprünglich mit Verweis auf Verträge nach Paragraf 73 b und 140 a SGB V, „Vereinbarungen, die „bestimmte Diagnosen als Voraussetzungen vorsehen“, seien unzulässig“.
Koalition hält am Reform-Paket fest
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), betonte, die Koalition halte am „Gesamtpaket der RSA-Reform fest“. Wichtig sei ihr gewesen, dass „gute Verträge“ zur besonderen Versorgung weiter möglich bleiben.
Davon profitierten vor allem Patienten mit Herzerkrankungen oder Diabetes, aber auch mit anderen spezifischen Krankheiten. „Dort ist es genau richtig, dass wir Ärzte für erbrachte Mehrleistungen besser vergüten“, sagte Maag der „Ärzte Zeitung“.
Ärzteverbände hatten im Vorfeld argumentiert, in Selektivverträgen müssten zur zielgenauen Behandlung von Patienten Diagnosen möglichst genau beschrieben werden.
Mehr Abgabefreiheit in der Apotheke
Der AOK-Bundesverband warnte, das Totalverbot einer Verknüpfung von Diagnose und Vergütung beschädige den Wettbewerb zwischen selektiv- und kollektivvertraglicher Versorgung.
Die Selektivversorgung soll gleichwohl genauer unter die Lupe genommen werden. Um den Finanzausgleich zwischen den Kassen zielgenauer auszugestalten, sollen die Daten der Selektivversorgung dort künftig einfließen. Dazu soll eine bundesweite Transparenzstelle eingerichtet werden.
Angedockt an das FKG will die Koalition auch Lieferengpässe bei Arzneimitteln erneut angehen. Wichtig für Vertragsärzte: Das Ärgernis nicht-lieferbarer rabattierter Medikamente soll gelindert werden.
Demnach wären Apotheker künftig berechtigt, in solchen Fällen ein wirkstoffgleiches Arzneimittel auch dann abzugeben, wenn es nicht rabattiert ist. Das soll auch dann gelten, wenn das Präparat nicht zum Festbetrag verfügbar ist.
Kassen tragen die Mehrkosten
Die Mehrkosten, für die bisher der Versicherte aufkommen musste, sollen künftig von der Krankenkasse getragen werden. 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll der GKV-Spitzenverband dem Ministerium über die finanziellen Auswirkungen Bericht erstatten.
Die Änderungsanträge enthalten weitere Bausteine für eine Strategie gegen Lieferengpässe:
- Meldepflicht für Großhändler und pharmazeutische Unternehmer: Sie sollen dem BfArM künftig „Informationen zu verfügbaren Beständen, Absatzmengen und drohenden Lieferengpässen von versorgungsrelevanten Arzneimitteln“ übermitteln. Bislang gibt es die Meldepflicht nur im Krankenhausbereich.
- Mehr Transparenz im Arzneimittelmarkt: Der beim BfArM heute schon stattfindende „Jour Fixe“wird verstetigt und soll künftig als „Beirat zu versorgungsrelevanten Lieferengpässen“ gesetzlich verankert werden. So soll die Versorgungslage mit Medikamenten noch nachhaltiger beobachtet und bewertet werden können. Im Beirat sollen neben einem Patientenvertreter auch Fachgesellschaften der Ärzte, der Apotheker, der Arzneimittelkommissionen der Kammern der Heilberufe und der KBV sitzen. Auch Hersteller, Großhandel sowie Vertreter der Kassen und der Kliniken sollen dem Gremium angehören.
- Feste Definition versorgungsrelevanter Wirkstoffe: Hierzu sollen das BfArM und das PEI erweiterte Kompetenzen erhalten. Nach Anhörung des Beirats soll das Institut eine „Liste versorgungsrelevanter und versorgungskritischer Wirkstoffe“ erstellen. Diese sollen anschließend auf der Internetseite des Instituts publik gemacht werden. Das Gleiche gilt für einen dem BfArM gemeldeten Lieferengpass. Sofern Wirkstoffe oder Arzneimittel im Zuständigkeitsbereich des Paul-Ehrlich-Instituts betroffen sind, soll die Bekanntmachung im Einvernehmen mit dem PEI erfolgen.
- Abwendung und Abmilderung eines Engpasses: Die zuständige Bundesoberbehörde soll im Fall eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses „geeignete Maßnahmen“ ergreifen dürfen. So soll die Behörde etwa anordnen können, dass pharmazeutische Unternehmen und Arzneimittelgroßhändler bestimmte Schritte ergreifen müssen, um eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln zu gewährleisten. Das soll auch „Maßnahmen zur Kontingentierung von Arzneimitteln“ umfassen. Bei Arzneimitteln mit versorgungskritischen Wirkstoffen kann die Bundesoberbehörde auch eine Lagerhaltung anordnen, um einen Lieferengpass zu umgehen oder abzumildern.
Reserveantibiotika werden privilegiert
Neue Anreize setzt die Koalition auch bei Reserveantibiotika, das etwa gegen multiresistente Erreger wirksam ist und für das nur eingeschränkte Therapiealternativen zur Verfügung stehen. Diese Reserveantibiotika werden im Verfahren der frühen Nutzenbewertung künftig ähnlich wie Orphan Drugs privilegiert – ihr Zusatznutzen gilt dann bereits via Zulassung als belegt.
Der Bundestag will das Gesetz am nächsten Donnerstag beschließen.