Alternativer Suchtbericht

Drogenpolitik verfehlt Ziele

Das Strafrecht hilft nicht gegen die Drogensucht. Das sagen Wissenschaftler und Suchthilfe-Vertreter und legen jetzt den ersten Alternativen Sucht- und Drogenbericht vor. Sie wollen damit Impulse für eine bessere Drogenpolitik setzen.

Veröffentlicht:
Saubere Spritzen, die vor Infektionen schützen, erhalten Abhängige in Drogenkonsumräumen.

Saubere Spritzen, die vor Infektionen schützen, erhalten Abhängige in Drogenkonsumräumen.

© fotomaxium-Fotolia

BERLIN. "Aus Expertensicht kann man mit der Drogenpolitik in Deutschland nicht zufrieden sein. Es fehlt eine wissenschaftlich fundierte Grundlage mit klar definierten Zielen", sagt Dr. Bernd Werse vom Center for Drug Research an der Frankfurter Universität.

Der Wissenschaftler gehört zu der Gruppe von Autoren, die ihre Erkenntnisse im ersten Alternativen Sucht- und Drogenbericht veröffentlicht hat. Die Studie soll dazu beitragen, Erkenntnisse der Sucht- und Präventionsforschung in erfolgreiche Interventionen umzusetzen und Wege zu einer effektiveren Drogenpolitik aufzeigen.

Erst Ende Juni waren im Weltdrogenbericht aktuelle Zahlen veröffentlicht worden. Demnach konsumieren weltweit rund 300 Millionen Menschen illegale Drogen. Etwa 178 Millionen von ihnen nehmen regelmäßig Cannabis zu sich. 12,7 Millionen sind abhängig von Heroin.

Und etwa 1.7 Millionen von ihnen haben sich zusätzlich mit HIV infiziert, rund 6,6 Millionen mit Hepatitis. Auch in Deutschland gilt Cannabis als die am häufigsten konsumierte illegale Droge.

Zahlen aus dem Büro der Drogenbeauftragten der Bundesregierung gehen von rund 207.000 Cannabis-Abhängigen und rund 750.000 Erwachsenen mit problematischem Suchtverhalten aus.

Laxer Umgang mit Alkohol und Tabak kritisiert

Den Verbänden und Wissenschaftlern, die jetzt den ersten Alternativen Sucht- und Drogenbericht vorgelegt haben, geht es weniger um Statistiken und Zahlen. Sie wollen vielmehr die Drogenpolitik in Bund und Ländern grundsätzlich ändern.

"Die Politik muss den Reformstau auflösen und anerkennen, dass das Strafrecht nicht geeignet ist, um Gesundheitspolitik zu betreiben", sagt Werse. Der Forscher kritisiert vor allem den "laxen Umgang" mit legalen Drogen wie Alkohol und Tabak und auch das "unverhältnismäßig harte Betäubungsmittelgesetz."

Maximilian Plenert vom Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik "akzept e.V." macht die Problematik anschaulich: "Wer für den eigenen Konsum etwa zwei, drei Pflanzen zu Hause hat, kann sich strafbar machen und riskiert eine längere Haftstrafe als dies bei Körperverletzungen der Fall ist."

Plenert fordert auf, grundsätzlich umzudenken: "Wenn Drogen wie Cannabis legalisiert wären, könnte eine Milliarde Euro an Ausgaben für Polizei und Staatsanwaltschaft eingespart werden."

"Prävention funktioniert, wenn man sie macht"

Silke Klumb, Geschäftsführerin bei der Deutschen Aidshilfe, will vor allem die Drogenabhängigen vor Folgeerkrankungen bewahren. "Prävention funktioniert, wenn man sie macht", sagt sie und verweist auf die so genannten "Drogenkonsumräume".

In diesen Treffpunkten erhalten Abhängige saubere Spritzen und können sich darüber vor Infektionen mit HIV oder Hepatitis effektiv schützen. Zudem werden sie in Notfällen frühzeitig gesundheitlich versorgt. "Es ist belegt, dass diese Einrichtungen 2013 rund 200 Menschenleben gerettet haben", sagt sie.

Es ärgert sie daher, dass bislang nur sechs von 16 Bundesländern entsprechende Drogenkonsumräume eingerichtet haben. Klumb ist überzeugt: "Mit einfachen Maßnahmen ließe sich die Zahl der Drogentoten in Deutschland erheblich senken."

Ein weiteres Beispiel: Mit "Test it" hat die Deutsche Aidshilfe einen Schnell-Test entwickelt, mit dem Infektionen frühzeitig und zuverlässig diagnostiziert werden können.

In Dortmund, Berlin und Wuppertal wurde "Test it" als Modellprojekt erfolgreich eingesetzt. Jetzt aber fehlt es an finanziellen Mitteln, das Projekt fortzusetzen: "Versuch gelungen, Projekt beendet", resümiert Klumb.

Erste Reaktionen auf den Bericht gibt es bereits: Frank Tempel, Bundestagsabgeordneter der Linken, sieht darin einen "wichtigen Beitrag zu einer gesellschaftlichen Debatte, um die Prohibitionslogik zu hinterfragen und Alternativen aufzuzeigen". (wer)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Neues Wirkprinzip

HIF-Inhibition beim rezidivierten Nierenzellkarzinom

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

EvidenzUpdate-Podcast

Hoffnung und Kollaps – wie Lecanemab uns herausfordert

Lesetipps
Ein sich auftürmender Geldstapel.

© Sascha Steinach/ZB/picture alliance

Finanzielle Lage der GKV

Zusatzbeiträge 2025: Hiobsbotschaften im Tagesrhythmus

 Hausarzt Werner Kalbfleisch

© Südwest Presse / Verena Eisele

Ende eines jahrelangen Verfahrens vor den Prüfgremien

Hausarzt geht mit XXL-Regress in die Rente

Die Forschenden nahmen die langfristigen Auswirkungen der essenziellen Metalle Kobalt, Kupfer, Mangan und Zink, sowie der nicht-essenziellen Metalle Arsen, Cadmium, Blei, Wolfram und Uran auf die kognitiven Funktionen in den Blick.

© Naeblys / Getty Images / iStock

Umweltbelastung

Metalle im Urin sind mit kognitivem Abbau assoziiert