Spanien
Dutzende Kliniken schließen ganze Abteilungen
Spaniens Gesundheitssystem ächzt unter fortwährenden Kürzungen. Nach Protesten gegen geplante Privatisierungen im letzten Jahr sorgt in diesem Sommer die teilweise Schließung von Kliniken für Versorgungsengpässe.
Veröffentlicht:MADRID. Das Gesundheitssystem im von der Wirtschafts- und Finanzkrise geschüttelten Spanien kommt nicht zur Ruhe. Im vergangenen Jahr protestierten Klinikärzte und -mitarbeiter gegen Budgetkürzungen und Privatisierungspläne der Regierung.
In diesem Sommer sorgt die Schließung von ganzen Etagen, Operationssälen und Abteilungen in landesweit Dutzenden von Krankenhäusern für Diskussionen. Spaniens Gesundheitsministerium rechtfertigt dies mit der geringeren Nachfrage im Sommer und in der Ferienzeit.
Die dadurch künstlich erzeugten Engpässe treffen oft die Schwächsten, so wie die 93-jährige Antonia Cantero. Von der Notoperation am Fuß habe ihre an Demenz leidende Mutter wenig mitbekommen, sagte ihre Tochter Maribel der Tageszeitung "El Pais". "Aber der Krankenhausaufenthalt hat ihr gesundheitlich sehr zugesetzt."
Die alte Dame hatte sich schwere Schnittwunden am Fuß zugezogen und kam in die Notaufnahme des Madrider Hospitals La Paz. Da sie nach dem Eingriff jedoch sehr labil war und zudem nicht laufen durfte, sollte sie für einige Tage eingewiesen werden.
Es gab aber keine freien Betten auf der Station und so musste sie in der Notaufnahme bleiben, insgesamt vier Tage und Nächte. "Das sind doch keine Zustände. In den Räumen gab es keine Fenster. Die Belüftung war schlecht und die Versorgung nicht angemessen", berichtet die Tochter. Dabei habe es eine Toilette für alle Patienten gegeben.
Nach vier Tagen holte Maribel ihre Mutter auf eigene Verantwortung aus der Klinik. Die Krankenhausleitung erklärte, es handelte sich um eine Ausnahme. Doch Spaniens Ärzte und Krankenpflegepersonal versichern das Gegenteil.
OMS: "Alarmierende" Reduzierung
Spaniens Ärztevereinigungen und auch die Gewerkschaften widersprechen: "Erstens sind die Wartelisten für Facharztbehandlungen und OPs mittlerweile so lang, dass sie weit in die Ferienzeit reichen. Zweitens sinkt die Nachfrage nicht überall. Vor allem in den Küstengebieten sowie auf den Kanarischen Inseln und den Balearen steigen im Sommer die Patientenzahlen durch die vielen Touristen", sagt Salvador Galán von der spanischen Ärztegewerkschaft CESM.
Krankenhäuser und Gesundheitszentren müssen im Zuge der staatlichen Rotstiftpolitik sparen, wo es nur geht. "Viele Krankenhäuser reduzieren im Sommer die Bettenzahlen und ersetzen im Urlaub befindliche Ärzte nicht durch Urlaubsvertretungen. Das führt in vielen Gegenden zu verantwortungslosen Engpässen", sagt Salbador Galán.
Je nach Region seien die Urlaubsvertretungen im Vergleich zum vergangenen Jahr um bis zu 20 Prozent reduziert worden, so der CESM-Sprecher. Im gleichen Maße würden auch die Bettenzahlen heruntergeschraubt.
Die Plattform spanischer Allgemeinmediziner (OMS) bezeichnete die Reduzierung des Ärzte- und Pflegepersonals im Sommer als "alarmierend" und warnte vor Einbußen in der Versorgungsqualität.
Francisco Bautista, UGT-Gewerkschaftssprecher auf den Kanarischen Inseln, ging noch einen Schritt weiter, als er Insulanern und Urlaubern riet, "bis Oktober lieber nicht krank zu werden".