Sonderausschuss
EU beginnt Arbeiten an Anti-Krebs-Programm
„Vier von zehn Tumor-Erkrankungen sind vermeidbar“, sagt Gesundheitskommissarin Kyriakides. Belgien legt im Kampf gegen den Krebs unterdessen vor.
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Die EU will die Lebensqualität für „Krebsüberlebende“ verbessern. Virginia Mayo/AP/dpa
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Brüssel. Die EU hatte am Dienstag ihren Auftakt für einen „Europäischen Krebs-Bekämpfungsplan“ noch gar nicht begonnen, da preschte das belgische Parlament schon mal vor: Ab 1. Januar 2021 ist Tabakwerbung in Schaufenstern, Aufstellern und als Leuchtreklame verboten. Außerdem untersagt der Staat das Rauchen im Auto, wenn Kinder dabei sind.
Es war, als hätten die Gesundheitspolitiker im belgischen Parlament die Reden der EU-Führung vorab gelesen. „Vier von zehn Krebserkrankungen sind vermeidbar“, betonte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides kurz darauf bei einer feierlichen Veranstaltung zum Weltkrebstag. Denn Prävention und der Zugang zu Früherkennung für alle Patienten in der EU und ihren Angehörigen stehen ganz oben auf ihrer To-do-Liste.
Kyriakides kennt die Schrecken der Diagnose. Sie war mehrfach an Brustkrebs erkrankt. Wie auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wusste, wovon sie sprach. Ihre Mutter starb an Lungenkrebs, ihr Bruder Lorenz an einem Gehirntumor.
Als von der Leyen 13 war, verlor sie ihre zwei Jahre jüngere Schwester Benita, bei der Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert worden war. Die Kommissionspräsidentin am Dienstag in Brüssel: „Der Tod meiner Schwester hat mein Leben verändert.“
„Europäischer Krebs-Bekämpfungsplan“
Es ist eine konzertierte Aktion, die beispielhaft werden soll. Nach einer Konsultation, an der sich Politik, Wissenschaft, Medizin und Industrie beteiligen, will der Sonderausschuss des EU-Parlamentes zusammen mit der Brüsseler Kommission bis Ende des Jahres einen „Europäischen Krebs-Bekämpfungsplan“ aufstellen.
„Unsere Strategie wird sicherstellen, dass Patienten so viel Unterstützung wie möglich erhalten, von der Diagnose bis zur Behandlung und Langfristpflege“, betonte Kyriakides. Das betreffe auch die Lebensqualität für „Krebsüberlebende“. Deshalb sollen Sozial- und Arbeitsmarktexperten eingebunden werden. Es seien Modelle gefordert, die verhindern, dass geheilte Menschen nicht weiter diskriminiert oder an den Rand gedrängt würden, weil sie als nicht mehr belastbar gelten.
„Ich bin sehr froh, dass der Kampf gegen den Krebs jetzt eine solche Dynamik bekommt“, sagte der CDU-Europapolitiker und Arzt, Dr. Peter Liese, der „Ärzte Zeitung“. Sein sozialdemokratischer Kollege Tiemo Woelken forderte „schnellere Zulassungsverfahren und vereinheitlichte Bewertungsverfahren für neue Medikamente und Therapien.“ Hinzufügen muss man wohl: auch mehr europäische Abstimmung.
In den vergangenen Jahren reisten viele deutsche Brustkrebs-Patientinnen nach Belgien, wo andere therapeutische Methoden möglich waren als in Deutschland. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Verfügbarkeit bei bestimmten Arzneimitteln für Krebspatienten, beispielsweise zur Chemotherapie. Von den Engpässen sind sie besonders betroffen.
Krebsdatenbanken angleichen
„Wir haben noch nicht alle Antworten“, sagte von der Leyen. „Aber zusammen können wir verstehen, worauf wir unseren Fokus richten müssen, um einen besseren Zugang und größeren Erfolg zu haben.“ Außer der Prävention will die EU deshalb zunächst für geeignetes Datenmaterial sorgen.
Die bisherigen Krebsdatenbanken der Mitgliedstaaten und der deutschen Bundesländer sollten die Informationen über Erkrankungen nach gleichen Standards aufbereiten, um Abgleiche möglich zu machen. Dazu soll der Datenschutz entsprechend ausgebaut werden, damit die Forschung ausreichend Daten hat.
Krebs-Screening-Programme müssten besser verfügbar sein. „Wir müssen gewährleisten, dass Betroffene und ihre Angehörigen die Unterstützung und Versorgung bekommen, die sie brauchen“, schrieb Kyriakides in einem Gastbeitrag für die österreichische Zeitung „Die Presse“. „Dazu zählt das grundlegende Recht auf gleichberechtigten Zugang zu medizinischer Versorgung und innovativen Behandlungsmethoden.“
Die EU ist entschlossen. Angesichts wissenschaftlicher Ergebnisse, nach denen 15.000 Frauen in der EU jährlich an Gebärmutterhalskrebs erkranken und daran sterben, sagte von der Leyen: „Das darf nicht sein. Der Tumor kann bekämpft werden.“