Pandemie
EU will angepasste Corona-Impfstoffe gegen Mutanten rascher zulassen
Vor dem EU-Gipfel konkretisiert die Brüsseler Kommission das Instrument Exportstopp für Corona-Impfstoffe – und trifft Vorbereitungen für weitere Impfwellen.
Veröffentlicht:Brüssel. Einen Tag vor dem virtuellen Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs schlägt die Diskussion um mögliche Exportstopps von Vakzinen aus europäischen Produktionsstätten hohe Wellen. Die ohnehin aufgeladene Stimmung bei den Vertretern der Mitgliedstaaten wurde noch zusätzlich durch die Nachricht angeheizt, dass italienische Kontrolleure in der Abfüllfirma Catalent in Anagni, die für AstraZeneca arbeitet, rund 29 Millionen Impfdosen entdeckten, die für den Export nach Großbritannien vorgesehen waren.
Die italienische Regierung stellte am Nachmittag klar, dass die Sendung für Belgien bestimmt war. Aber das konnte die immer heftiger werdende Diskussionen um eine Ausweitung von Exportstopps nicht mehr bremsen. Das Thema wird auf dem EU-Gipfel am Donnerstag eine zentrale Rolle spielen.
Das böse Wort „Exportstopp“
Die EU-Kommission legte für die Debatten der Staatenlenker am Mittwoch eine nachgeschärfte Fassung des bisherigen „Kontrollmechanismus“ vor – die Zentrale der Gemeinschaft vermeidet es hartnäckig, von einem Instrument zum Exportstopp zu sprechen. Präsidentin Ursula von der Leyen sagte bei der Vorstellung: „Die EU ist stolz darauf, die Heimat von Impfstoffherstellern zu sein, die nicht nur die EU-Bürger beliefern, sondern auch in die ganze Welt exportieren. Während unsere Mitgliedstaaten mit der dritten Welle der Pandemie konfrontiert sind und nicht jedes Unternehmen seinen Vertrag einhält, ist die EU der einzige große OECD-Produzent, der weiterhin Impfstoffe in großem Umfang in Dutzende von Ländern exportiert. Von der Leyen weiter: „Aber offene Straßen sollten in beide Richtungen verlaufen.“
Die zwei Kriterien, die nun in das bereits beschlossene Instrument zur Exportkontrolle aufgenommen werden sollen, heißen Reziprozität und Verhältnismäßigkeit. Bevor Brüssel tatsächlich die Ausfuhr von Vakzinen untersagt, soll demnach geprüft werden, ob das Zielland seine Exporte von Impfstoffen oder Rohmaterialien zu deren Herstellung beschränkt. Zusätzlich will die EU-Behörde ihre Entscheidung von der epidemiologischen Situation des Ziellandes, der dortigen Impfquote, dem Zugang zu Vakzinen sowie der Frage abhängig machen, ob die Bedingungen besser oder schlechter sind als in der EU. Ob die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs tatsächlich für eine Ausweitung des Ausfuhr-Verbotes eintritt, erscheint aber fraglich. Deutschland steht solchen Plänen zurückhaltend gegenüber, weil ausgerechnet der EU als strikter Befürworter des Multilateralismus es kaum plausibel begründen könnte, zu einem solchen Instrument zu greifen.
Anpassung wie bei Grippe-Vakzin
Im Hintergrund geht es nicht mehr nur um die derzeitigen Probleme mit der Verfügbarkeit von Vakzinen. In Brüssel bereitet man sich längst auf eine weitere Impfwelle vor, wenn Mutanten des Coronavirus auch eine Nachbesserung der Impfstoffe erfordern. Ebenfalls am Mittwoch stellte die Kommission die Weichen, damit die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) künftig angepasste Impfstoffe schneller zulassen darf. Dazu soll in Zukunft „ein kleiner Satz zusätzlicher Daten“ ausreichen, wenn das Vakzin von seiner Grundbauweise nicht verändert wurde.
Man nimmt damit eine Praxis auf, wie sie bei den Anpassungen für humane Influenza-Grippe-Impfstoffe auch schon genutzt wird. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte dazu: „Wir müssen darauf vorbereitet sein, Impfstoffe so schnell wie möglich anzupassen, um auf neue und potenziell impfstoffresistente Varianten zu reagieren.“ Diese Änderung der Spielregeln gehört zu dem von der Kommission vorgeschlagenen Projekt „Hera Inkubator“, bei dem Forscher, Biotech-Unternehmen, Hersteller, Mediziner und Behörden weltweit zusammenarbeiten, um neue Varianten zu erkennen.