Antibiotika
Ein Drittel der Verordnungen fragwürdig
Viele Deutsche sind schlecht über Antibiotika informiert, und das färbt offenbar auf das Verordnungsverhalten der Ärzte ab. Das kritisiert die DAK-Gesundheit in ihrem Antibiotika-Report - und schlägt den Dialog mit Ärzten vor.
Veröffentlicht:BERLIN. Viele Patienten sind schlecht über die Wirkungsweise von Antibiotika informiert. Das schlägt sich laut einer DAK-Studie auch auf die Verschreibungspraxis der Ärzte nieder: In einer Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit erklärten 76 Prozent der befragten Versicherten, dass sie sich vom Arzt ein Antibiotikum bei einer Erkältung wünschen, nur 25 Prozent finden dies unnötig.
"Diese problematische Erwartungshaltung der Patienten bildet sich offenbar auch im Verordnungsverhalten der Ärzte ab", sagte DAK-Chef Professor Herbert Rebscher vor Journalisten in Berlin bei der Vorstellung des ersten DAK-Antibiotika-Reports 2014.
Nach einer Analyse der Arzneimittel- und Diagnosedaten von DAK-Versicherten stuft die Kasse rund 30 Prozent der Antibiotika-Rezepte von 2013 als "fragwürdig" ein. "Wir benötigen mehr Aufklärung bei Patienten, aber auch bei Ärzten", so Rebscher.
Besonders häufig für Kinder verschrieben
Zwei Drittel der Verordnungen werden in Hausarztpraxen ausgestellt. Besonders häufig werden Antibiotika demnach für Kinder verschrieben: 2013 haben 45 Prozent der unter 15-Jährigen ein Antibiotikum bekommen. 29 Prozent der befragten Eltern gaben an, dass ihr Kind 2013 mindestens einmal ein Antibiotikum erhalten habe.
Die Vier- bis Sechsjährigen liegen mit 41 Prozent vorn. 17 Prozent der befragten Eltern erwartet vom Arzt ein Antibiotikum. Bei Eltern stellt die Kasse in der Befragung aber auch einen Bewusstseinswandel fest: So wollten 87 Prozent für ihre Kinder nur dann Antibiotika, wenn es unbedingt sein müsse. Auch bei Patienten zwischen 85 und 90 Jahren ist ein starker Anstieg zu verzeichnen - in der Altersgruppe nahmen 2013 rund 44 Prozent Antibiotika ein.
Auch die Compliance der Patienten macht der Kasse Sorgen: So gaben elf Prozent der Befragten an, die Medikamente eigenständig abzusetzen, 14 Prozent heben nicht-verbrauchte Tabletten für mögliche spätere Beschwerden auf.
Die Analyse der DAK-Arzneimitteldaten belegt ein deutliches Ost-West-Gefälle bei Antibiotika-Verordnungen: So bekamen DAK-Versicherte 2013 in Rheinland-Pfalz 7,04 Tagesdosen und im Saarland 6,98 Dosen.
Alte Verordnungstraditionen sichtbar
Versicherte in Brandenburg dagegen erhielten 4,5 Tagesdosen, Sachsen (4,8) und Mecklenburg-Vorpommern (4,93) lagen nur knapp dahinter. "Alte Verordnungstraditionen sind hier deutlich sichtbar", erklärte Professor Gerd Glaeske, der für die DAK die Daten analysierte.
Auch der Unterschied zwischen Frauen und Männern wird bei der statistischen Auswertung deutlich: So nahmen 44 Prozent der weiblichen Versicherten im Jahr 2013 Antibiotika ein, nur 36 Prozent Männer.
Die DAK will anhand dieser Ergebnisse nun eine bundesweite Kampagne starten. Auch regt die Kasse einen Dialog mit der Ärzteschaft an: "Wir sind bereit, Gespräche für eine Leitlinie zur Antibiotika-Verordung gemeinsam mit Ärzten und der Industrie aufzunehmen", so Rebscher.
Nach Ansicht der DAK-Gesundheit sollte solch eine Leitlinie auch "motivationale, psychologische und kommunikative Strategien für Ärzte bereithalten, heißt es in einem Strategiepapier der Kasse. "Eine multidisziplinäre Leitlinie wäre eine gute Möglichkeit, mehr Aufmerksamkeit auf das Problem zu lenken", so Arzneimittelexperte Glaeseke.
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