Hausärzte und AOK
Ein Fall für den Paartherapeuten in Bayern
Seit Jahren funktioniert der Hausarztvertrag zwischen der AOK, dem Hausärzteverband und Medi in Baden-Württemberg bestens. In Bayern muss zwischen der Kasse und den Hausärzten dagegen häufig vermittelt werden. Warum eigentlich?
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Kein Scherz: Am kommenden Mittwoch, dem 1. April tritt tatsächlich ein neuer Vertrag zur Hausarztzentrierten Versorgung zwischen dem Bayerischen Hausärzteverband (BHÄV) und der AOK Bayern in Kraft.
Angesichts der unendlichen Vorgeschichte mochte man kaum noch daran glauben, dass es überhaupt noch zu einem Vertrag zwischen der größten gesetzlichen Krankenkasse im Freistaat und dem mitgliederstarken Hausärzteverband kommen würde.
Zu einer solch skeptischen Einschätzung trägt nicht zuletzt auch die Tatsache bei, dass sich die AOK bis zuletzt gegen den HzV-Vertrag als Ergebnis eines Schiedsspruchs gesträubt hat, die Vereinbarung also alles andere als freiwillig zustande gekommen ist.
Warum tun sich die beiden Parteien so schwer? Sind es nur die Nachwirkungen des gescheiterten Systemausstiegs, den der Bayerische Hausärzteverband vor mehr als fünf Jahren im Dezember 2010 geprobt hatte?
Oder gibt es auch grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen über das, was Hausarztzentrierte Versorgung ausmachen sollte?
Die Frage ist auch deshalb spannend, weil es im benachbarten Baden-Württemberg bereits seit 2008 einen Hausarztvertrag mit der dortigen AOK gibt, an dem die Vertragspartner im Südwesten mit bemerkenswerter Gradlinigkeit festhalten und den sie mit dem Ziel einer strukturierten Versorgung mit einem Kranz von Facharztverträgen ergänzen.
Im Südwesten ziehen alle an einem Strang
Nimmt man die Verlautbarungen der Akteure in Bayern und Baden-Württemberg zur Hausarztzentrierten Versorgung, so sind die Ziele eigentlich gar nicht so unterschiedlich.
Durch eine Stärkung der hausärztlichen Grundversorgung soll eine koordinierte und kontinuierliche Versorgung insbesondere chronisch Kranker sichergestellt werden. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, darüber gibt es jedoch durchaus unterschiedliche Ansichten.
In Baden-Württemberg haben sich die Vertragsparteien aus eigenem Entschluss bereits vor mehr als sieben Jahren für einen Hausarztvertrag als Vollversorgungsvertrag und damit für eine Lösung außerhalb des KV-Systems entschieden.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung begründeten die AOK, der Hausärzteverband und der Medi-Verbund als Vertragspartner ihr Vorgehen seinerzeit damit, dass die tradierte ärztliche Selbstverwaltung nicht mehr in der Lage sei, aktuelle und künftige Probleme der hausärztlichen Versorgung zu lösen.
Mit dem Hausarztvertrag werde man eine "neue Versorgungswelt" umsetzen.
Eine solche Aufbruchstimmung bei Ärzten und Kassen gab es in Bayern nie - und gibt es bis heute nicht. Im Gegenteil.
Während der Bayerische Hausärzteverband immer auch auf eine eigene Tarifhoheit pocht, würde die AOK einen Hausarztvertrag am liebsten als Add-on-Vertrag abschließen, also als Ergänzung zu einem bestehenden Vertrag mit der KV.
Vorbild ist ein seit Jahren gut funktionierender Kinderarztvertrag.
Für die Kasse hätte das immerhin den Vorteil, dass man sich auf vertrautem Terrain bewegt und als Körperschaft des öffentlichen Rechts auf Augenhöhe mit einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts verhandeln würde - was freilich auch nicht immer ganz einfach ist.
Wohingegen der Bayerische Hausärzteverband aus Sicht der AOK Bayern wohl doch nur ein eingetragener Verein ist, von dem man nicht einmal sicher sein kann, dass er auch in Zukunft genügend Mitglieder hat, um die Interessen der Hausärzte legitimerweise vertreten zu können.
Sprachlosigkeit in Bayern
Und während die baden-württembergischen Vertragspartner in Berlin - nicht etwa in Stuttgart - mit breiter Brust vor die Presse treten, um zu verkünden: "Seht her, so gestalten wir Versorgung", treffen sich in Bayern AOK und Hausärzteverband regelmäßig vor Gericht.
Häufig ging es dabei in den vergangenen Jahren um einbehaltene Honorarzahlungen wie im jüngsten Fall, in dem die AOK von rund 2700 Hausärzten etwa 12,5 Millionen Euro aus fehlerhaften Abrechnungen zurückfordert.
Dass sich ein solcher Betrag im Laufe von acht Quartalen summiert hatte, ohne dass irgendjemand korrigierend eingegriffen hätte, stieß selbst im Bayerischen Gesundheitsministerium auf Verwunderung. In Baden-Württemberg gibt es dafür Steuerungsgremien der Vertragspartner, die mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig aufgreifen.
In Bayern dagegen scheint Sprachlosigkeit die vorherrschende Form der Kommunikation zwischen den Hausärzten und der AOK zu sein.
Ob sich das nach dem 1. April, wenn der neue HzV-Vertrag in Kraft tritt, ändern wird, bleibt abzuwarten. Und dass sich Hausärzte und Krankenkasse im Interesse ihrer Patienten und Versicherten zusammenraufen, ist ungewiss.
Doch so wie die Dinge liegen, wird das Bayerische Gesundheitsministerium auch künftig als Paartherapeut immer wieder moderierend eingreifen müssen. Viele Jahre einer gestörten Beziehung lassen sich eben nicht so einfach abschütteln.