Modellprojekt
Ein therapeutisches Team für psychisch Kranke
In jedem Bundesland sollen Modellvorhaben zeigen, wie die Versorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen verbessert werden kann. In Brandenburg ist jetzt das erste Projekt gestartet. Patienten werden einem therapeutischen Team zugeordnet.
Veröffentlicht:RÜDERSDORF. In Brandenburg ist das erste Modellvorhaben nach Paragraf 64b SGB V zur sektorübergreifenden Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen gestartet. Dabei kooperiert die Immanuel Klinik Rüdersdorf mit der Barmer GEK und der Techniker Krankenkasse.
Patienten werden in dem Modell einem therapeutischen Team zugeordnet, das Ärzte, Psychologen, Pflegekräfte und Sozialarbeiter umfasst.
Diese Teams sollen auf lange Sicht krankheitsspezifisch aufgestellt werden. Um Drehtüreffekte zu vermeiden, bleiben die Patienten auch nach der Beendigung der akuten Behandlung in Kontakt zu ihrem Betreuer.
Sie werden beim Übergang in den Alltag mehrere Wochen lang begleitet. Schwerst Alkoholkranke können auch nach Behandlungsende täglich zu einem kurzen Gespräch und zum Atemtest an die Klinik kommen.
Zahl der Klinikeinweisungen soll sinken
"Wir haben den Eindruck, dass die Wiederaufnahmequote dadurch deutlich sinkt", sagte Professor Martin Heinze, Chefarzt Psychiatrie der Immanuel Klinik Rüdersdorf der "Ärzte Zeitung". Er betont aber, dass es nicht das Anliegen des Projektes sei, die ambulante Versorgung zu ersetzen.
"Wir wollen vielmehr die Übergänge zwischen den Sektoren so gestalten, dass die Patienten möglichst nicht wiederaufgenommen werden müssen", sagt er. Nur eine engmaschige und persönliche Betreuung der Patienten könne eine ständige Wiederkehr in die Klinik vermeiden.
Jeder Patient erhält einen sogenannten Bezugstherapeuten. Der kann je nach der individuellen Fallkonstellation Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter oder Pflegekraft sein.
"Wir wollen weg von der Arztzentriertheit - auch aus Gründen des Ärztemangels. Aber die medizinischen Entscheidungen und die Verantwortung für die Behandlungsplanung liegt natürlich bei den Oberärzten als Teamleitern", sagt Heinze.
Für die Krankenkassen gewinnt das Modellvorhaben vor allem mit Blick auf die ständige Zunahme psychischer Erkrankungen an Bedeutung. Susanne Hertzer, TK-Chefin in Brandenburg fordert hier neue Ansätze: "Es kann nicht nur um ein Mehr an Klinikbetten und Therapeuten gehen.
Gefragt sind neue Ideen und Angebote, die auf die Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sind. Menschen, die nach einer akuten Krise aus der Klinik entlassen werden, dürfen danach nicht allein gelassen werden", so Hertzer.
Claudia Korf, Landeschefin der Barmer GEK Berlin-Brandenburg verweist auf den individuellen Ansatz des Projektes: "Bei unserem Modellprojekt erhält jeder Patient eine speziell auf ihn zugeschnittene Behandlung. So kann sowohl psychisch schwer Erkrankten als auch Menschen in leichten Lebenskrisen besser geholfen werden."
Nach ihren Angaben wurden 2012 in Brandenburger Krankenhäusern rund 47 000 Patienten mit psychischen Störungen behandelt.
Tagesklinik ist auch am Wochenende geöffnet
Das Modellprojekt soll Krankenhausaufenthalte vermeiden oder wenigstens verkürzen. Die finanziellen Anreize dazu setzt ein Jahresglobalbudget für die komplette ambulante, stationäre und pflegerische Versorgung eines Patienten.
Die Klinik, die bereits eine Institutsambulanz an drei Standorten und drei Tageskliniken betreibt, analysiert gegenüber den Kassen dennoch die erbrachten Einzelleistungen "Wir müssen zu solchen komplexen Finanzierungen in der Psychiatrie kommen, wollen aber auch maximale Transparenz schaffen", sagt Heinze.
Wird ein Patient stationär behandelt, muss der Arzt diese Entscheidung im Modellvorhaben begründen. Denn als Goldstandard gilt die ambulante tagesklinische Behandlung. Um Patienten den Zugang dahin auch an den Wochenenden zu ermöglichen, ist die Tagesklinik der Immanuel Klinik an sieben Tagen pro Woche geöffnet.
"Das ist uns ganz wichtig", sagt Heinze. Denn die meisten Hilfesuchenden kommen an den Wochenenden und abends.
In jedem Bundesland soll laut Paragraf 64b SGB V mindestens ein Modell zur besseren, sektorübergreifenden Versorgung psychisch kranker Menschen erprobt werden. Es darf maximal acht Jahre laufen.