Charité-Neubau
Eine Baustelle noch ohne Eitelkeiten
Anders als beim Großbauprojekt des neuen Berliner Flughafens läuft beim Neubau der Charité bisher alles im Plan. Doch bis zur Bezugsfertigkeit Ende 2016 kann noch einiges passieren - eine Zwischenbilanz.
Veröffentlicht:Die höchsten Kräne in Berlin stehen derzeit nicht etwa an der ewigen Baustelle des Hauptstadt-Flughafens BER, sondern an der Uniklinik Charité. Mit 125 Metern Höhe haben sie bereits das Logo vom Dach des 21-stöckigen Bettenhochhauses am Campus Mitte abtransportiert.
Nun folgen Etage für Etage die drei mal sechs Meter großen Fassadenplatten des asbest- und MFC-verseuchten DDR-Plattenbaus. Anders als vom BER hört man vom Großbauprojekt der Charité derzeit nur Gutes. Die Charité-Spitze versicherte am Dienstag, die Baumaßnahmen lägen im Zeit- und Kostenrahmen.
Etwa die Hälfte der Fassade ist schon abgebaut. Auch die Baugrube für den benachbarten Neubau mit Operationssälen und Intensivstation ist ausgehoben. Die Grundsteinlegung soll wie geplant im September erfolgen. Wer will, kann die Baufortschritte demnächst auf zwei Webcams im Internet live verfolgen.
Bisher keine bösen Überraschungen
Böse Überraschungen bei ihrem Großbauprojekt blieben Europas größter Uniklinik bislang erspart. Nach einem holprigen Start verläuft nun anscheinend alles nach Plan. Dennoch wäre es zu früh, von einem vorbildlichen Bauablauf zu sprechen. Die Bezugsfertigkeit ist erst für Ende 2016 geplant. Bis dahin kann bei dem 202,5 Millionen Euro teuren Bauvorhaben noch viel passieren.
Das weiß auch die Charité, die sich ganz bewusst nicht mit der berüchtigten Baustelle am BER messen will. "Baumaßnahmen laufen entweder aus dem Ruder, weil die Baustelle nicht gut untersucht war, oder weil während des Baus neue Wünsche entstehen", sagte Charité-Chef Professor Karl-Max Einhäupl unter Verweis auf die Hamburger Elbphilharmonie.
Es können aber auch unvorhergesehene Probleme auftreten. Bislang ist noch nicht sicher, ob die Schadstoffbelastung im Bettenhochhaus im Rahmen bleibt. Denn keiner weiß, ob die alten Baupläne des DDR-Plattenbaus in allen Details stimmen.
Wenigstens diesen Sommer lang muss die Charité hier noch bangen. Sicherheit erwartet sie für Anfang September. Für den Notfall hat sie jedoch Rückstellungen gebildet. Werden sie nicht gebraucht, fließt die unbenannte Summe zurück ans klamme Land.
Die meisten anderen Risiken hat die Charité auf den Generalunternehmer abgewälzt, der den gesamten Bau koordiniert. Die Auftragsvergabe im Ganzen dürfte ein sehr kluger Schritt gewesen sein. Denn damit ist nicht nur eine viel weitergehende Risikoübernahme möglich, als wenn 100 Einzelfirmen beauftragt werden. Die Baulogistik ist nicht mehr das Problem der Charité.
Auch wenn bislang alles rosig aussieht - ganz im Zeit- und Kostenplan ist auch die Charité nicht. Denn sie ist bereits mit drei Monaten Verzug gestartet, weil sie zunächst keinen Bauunternehmer gefunden hat, der bereit war, die gewünschten Leistungen für die vom Land zur Verfügung gestellte Summe zu erbringen.
Bis die Erhöhung der Summe, die von Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) schon zugesagt war, sämtliche parlamentarischen Hürden genommen hatte, ging ein Vierteljahr ins Land.
Chance und Herausforderung zugleich
Baumaßnahmen laufen deshalb auch dann gern aus dem Ruder, wenn die öffentliche Hand ihre Finger im Spiel hat. Sei es Vergaberecht oder Haushaltsrecht - sobald Politik baut, sind die Hürden extrem hoch, und es besteht immer die Gefahr, dass eine Baustelle zu einer Schaustelle für die Eitelkeiten der einen oder anderen Partei wird.
Die Charité kann dagegen sogar schon einige planmäßig verlaufene Bauprojekte vorweisen. "Was wir bisher gemanagt haben, haben wir gut gemanagt", sagt Einhäupl selbstbewusst. So sei der als "Charité Crossover" bezeichnete 86 Millionen Euro teure Neubau für Vorklinik, Grundlagen- und klinische Forschung im Zeit- und Kostenplan fertiggestellt worden.
Auch das Gebäude für das Labor Berlin, das die Charité gemeinsam mit Vivantes aus Eigenmitteln finanziert hat, sei trotz Anfangsschwierigkeiten im Kosten- und Zeitplan geblieben.
Es bleibt der Charité zu wünschen, dass auch das aktuelle Bauvorhaben wie geplant fortschreitet. Denn für die Wirtschaftlichkeit der Uniklinik stellt es Chance und Herausforderung zugleich dar. Jede Verzögerung kostet Geld, denn der Betrieb in Mitte ist durch die Baumaßnahmen eingeschränkt.
Sind die Maßnahmen jedoch erst einmal abgeschlossen, kann die Charité bedeutend sparsamer wirtschaften als bisher. Ständige Havarien an der Haustechnik und hohe Energiekosten durch mangelnde Fassadendämmung gehören dann der Vergangenheit an. Das dürfte den Haushalt der Uniklinik spürbar entlasten.