Grüne schlagen vor
Einheitliche Aufsicht für alle Krankenkassen
Die Grünen werben in einem Brief an Gesundheitsminister Spahn für einen Kompromiss bei der Kassenaufsicht: Das Bundesversicherungsamt und die Länder sollten gemeinsam über die Krankenkassen wachen.
Veröffentlicht:BERLIN. Um das geplante „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ (FKWG) von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist es verdächtig ruhig geworden. Der Entwurf liegt seit März auf dem Tisch. Zuletzt hatte es geheißen, im September wolle sich das Kabinett damit befassen. Doch das dürfte fraglich sein.
Mit dem Gesetz soll der Finanzausgleich unter den Kassen nachjustiert werden. Umstritten ist vor allem die geplante bundesweite Öffnung regionaler Kassen. Bei diesem Punkt beißt Spahn bei seinen Länderkollegen weiter auf Granit.
Dasselbe dürfte für die einheitliche Aufsicht der Kassen durch das Bonner Bundesversicherungsamt (BVA) gelten, die Spahn ins Spiel gebracht hat. Bislang unterliegen regionale Kassen wie die elf AOK der Aufsicht der jeweiligen Länder.
Ersatzkassen sowie bundesweit geöffnete Betriebs- und Innungskrankenkassen stehen dagegen unter den Fittichen des BVA. Die Gesundheitsminister der Länder hatten bereits im Mai Spahns Plänen mit 16 :0 einstimmig eine Abfuhr erteilt.
Länderaufsicht über Versorgung
FKWG in Kürze
- Vollmodell: Statt bislang 80 Krankheiten sollen mehr als 300 Diagnosen zur Berechnung des Risikostrukturausgleichs herangezogen werden.
- Regionalkomponente: Regionale Unterschiede sollen eingerechnet werden.
- Prävention: Kassen sollen eine Pauschale erhalten, wenn sie die Versicherten zur Vorsorge animieren.
Bewegung in die Debatte versuchen nun die Grünen zu bringen. In einem Brief an Spahn und die Länder wirbt die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Maria Klein-Schmeink, für einen Kompromiss bei der Kassenaufsicht.
Der könne „darin bestehen, eine einheitliche Aufsicht für alle Krankenkassen zu schaffen. Für Finanzfragen wäre immer das Bundesversicherungsamt, für Fragen der regionalen Versorgungsgestaltung immer die Länder zuständig, und zwar unabhängig davon, in wie vielen Ländern die jeweilige Krankenkasse tätig ist“, heißt es in dem der „Ärzte Zeitung“ vorliegenden Schreiben.
Es sei unbestritten, betont Klein-Schmeink darin, „dass der Status quo unterschiedlicher Aufsichtsbehörden für auf dem gleichen Markt agierenden Krankenkassen wettbewerbspolitisch unbefriedigend“ sei.
Andererseits wäre eine einzige zentralisierte Aufsicht beim BVA gesundheitspolitisch genauso unbefriedigend. Ein Kompromiss sei also nicht nur aus politischen Gründen geboten. Er wäre in diesem Fall auch der Sache dienlich.
Gute Versorgung vor Ort leisten
Klein-Schmeink ist überzeugt, dass jede Kasse „gute Versorgung vor Ort“ leisten könne. Dabei sei es unbedeutend, wie groß die Kasse oder ihr Tätigkeitsgebiet sei. Auch bundesweit geöffnete Kassen würden das Versorgungsgeschehen an regionale Gegebenheiten anpassen.
„Entsprechend sollte dann auch das Aufsichtshandeln diesen Gegebenheiten Rechnung tragen können. Darum wäre die Zuständigkeit der Länder bei der Aufsicht im Bereich Versorgung naheliegend.“
Das würde auch mit den Aufgaben der Länder für die Gesundheitsversorgung korrespondieren, die der Gesetzgeber den Ländern in den vergangenen Jahren überantwortet habe.
Anders verhalte es sich bei der Finanzaufsicht, so Klein-Schmeink. Unterschiede in der Versichertenstruktur einzelner Kassen würden durch den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) ausgeglichen. „Darum ist es für einen fairen Wettbewerb sinnvoll, die Aufsicht über alle Kassen in finanziellen Fragen einheitlich beim Bundesversicherungsamt anzusiedeln.“ Bund und Länder sollten rasch eine Einigung bei der Frage der Aufsicht herbeiführen, appelliert Klein-Schmeink.
AOK-Chef vermisst Trennschärfe
AOK-Vorstandschef Martin Litsch sagte am Dienstag der „Ärzte Zeitung“, die beabsichtigte Stärkung der Länderaufsichten gehe „im Prinzip in die richtige Richtung“. Jedoch sei die von Klein-Schmeink vorgeschlagene Zuordnung des Aufsichtshandelns nicht trennscharf. Die von den Länderaufsichten zu genehmigenden Versorgungsverträge beträfen immer auch Finanzaspekte.
Unbestritten sei dagegen die alleinige Zuständigkeit des BVA für die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, so Litsch. Aber dafür müsste die Aufsicht nicht in der Bonner Bundesbehörde zentralisiert werden. Für Versorgungsfragen seien Länderaufsichten „die richtige Adresse“.
Jeder Vorschlag, der einheitliches Aufsichtshandeln in der GKV vorsehe, sei gut, hieß es beim BKK Dachverband. „Es darf aber nicht dazu kommen, dass das gute Gesetzespaket zur überfälligen Reform des Risikostrukturausgleichs aufgeschnürt wird“, sagte Anne-Kathrin Klemm, Vertreterin des Vorstands des BKK Dachverbandes, der „Ärzte Zeitung“.
Mit dem Gesetz will Spahn nicht nur das Organisationsrecht der Kassen neu ordnen. Kodieranreize für Ärzte sollen sich für die Kassen nicht mehr rechnen. Der Hausärzteverband sieht die regulären Hausarztverträge damit in Gefahr, weil sie in einen Topf mit Betreuungsstrukturverträgen geworfen werden könnten.
Umstritten ist auch die geplante Streichung der DMP-Programmpauschalen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung befürchtet dadurch eine schlechtere Versorgung chronisch Kranker.