Chronisch kranke Kinder

Eltern fühlen sich oft alleingelassen

Eltern von chronisch-kranken oder behinderten Kindern leben häufig am Limit ihrer Belastung. Viele schätzen Krankenhausärzte zwar als ihre ersten Ansprechpartner, aber oft fühlen sie sich von ihnen nicht umfassend beraten. Den Ärzten fehlt einfach die Zeit.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Behindertes Kind mit seinem Arzt. Eltern erleben Klinikärzte als hochkompetent, aber oft unter Druck.

Behindertes Kind mit seinem Arzt. Eltern erleben Klinikärzte als hochkompetent, aber oft unter Druck.

© Wicklund / Fotolia.com

BERLIN. Familien mit chronisch-kranken oder behinderten Kindern plagen häufig nicht nur Geldsorgen, oftmals haben sie auch Mühe, ihren Alltag angesichts vielfältiger Herausforderungen zu meistern. Das geht aus der aktuellen Studie des Vereins "Kindernetzwerk" hervor.

So können 40 Prozent der Eltern ihr Kind beispielsweise niemals unbeaufsichtigt lassen, 30 Prozent höchstens eine Stunde lang. Nahezu jede zweite Mutter hat nach der Geburt des Kindes ihre Arbeitszeit reduziert, ein weiteres Drittel der Mütter die eigene Berufstätigkeit sogar völlig aufgegeben.

Knapp 60 Prozent der Kinder in den betroffenen Familien erhalten Leistungen aus der Pflegeversicherung. Etwa die Hälfte der Familien stuft die finanzielle Unterstützung als ausreichend ein.

Hilfsangebote kaum bekannt

Um herauszufinden, wie es Familien mit kranken und behinderten Kindern geht, hat der Verein Kindernetzwerk gemeinsam mit dem Institut für Medizinische Soziologie (IMS) der Universität Hamburg Eppendorf und der AOK die Studie auf den Weg gebracht.

Fast 1600 betroffene Eltern waren dazu 2013 befragt worden. Deren Antworten belegen nicht nur, wie vielfältig das Belastungsspektrum ist, sondern auch, wie wenig entsprechende Hilfen und Anlaufstellen bekannt sind und genutzt werden.

Fachliche Kompetenz wird geschätzt

Als Ansprechpartner schätzen die Eltern ganz besonders die Klinikärzte. Sie werden am häufigsten aufgesucht und rangieren mit 47 Prozent weit vor den Selbsthilfegruppen (34 Prozent) oder den niedergelassenen Ärzten und Therapeuten (jeweils 28 Prozent).

Zwei Drittel der Befragten aber stuften die Beratung durch die Klinikärzte als nicht ausreichend ein. Etwa die Hälfte der Eltern vermisste beispielsweise eine frühzeitige Aufklärung über die Erkrankung des Kindes und deren Konsequenzen sowie über eine mögliche psychologische Unterstützung.

Im Vergleich dazu stuften die Eltern die Informationen aus den Selbsthilfegruppen als hilfreicher ein - jeder vierte Befragte war damit zufrieden, bei den Klinikärzten war dies nur jeder Fünfte.

"Viele Eltern schätzen die fachliche Kompetenz der Ärzte, aber erleben, dass deren Zeit für Beratung zu den komplexen Themen nicht ausreicht", sagt Raimund Schmid, Geschäftsführer des Kindernetzwerks, zur "Ärzte Zeitung".

Erschreckend sei auch, so Schmid, dass entsprechende Hilfen und Anlaufstellen nach wie vor wenig bekannt seien oder selten genutzt würden.

Die Kranken- und Pflegekassen landeten in Sachen Beratung und Information weit abgeschlagen auf dem letzten Platz der Rangliste: Nur knapp vier Prozent der Befragten suchten entsprechende Stellen überhaupt auf und weniger als ein Prozent fühlten sich dort gut beraten und informiert.

78 Prozent der befragten Familien gaben zudem an, die im Rahmen der Pflegeversicherung angebotenen Maßnahmen zur Familienentlastung wenig oder gar nicht zu kennen.

Vorbehalte gegenüber Kassen

Die Reha-Servicestellen der Rehabilitationsträger, die 2002 eingerichtet worden waren, waren nur 27 Prozent der Befragten bekannt. 57 Prozent von ihnen haben diese auch tatsächlich aufgesucht und mehr als die Hälfte dieser Gruppe war damit zufrieden.

"Die Studie zeigt, dass die Familien große Vorbehalte gegenüber den Kranken- und Pflegekassen haben, weil sie fürchten, dort nicht adäquat beraten zu werden", sagt Schmid.

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