Suizid-Beihilfe
Ethikrat kritisiert Haltung der Ärzte
Über die Rolle der Ärzte bei der Beihilfe zum Suizid hat der Deutsche Ethikrat am Donnerstag diskutiert - und zwar kontrovers. Mehrmals angeprangert wurde die Haltung der Ärzte.
Veröffentlicht:BERLIN (wul). Der Regierungsentwurf, der organisierte Suizidbeihilfe gesetzlich regeln soll, muss verbessert und präzisiert werden, forderte der Deutsche Ethikrat bei seiner öffentlichen Sitzung am Donnerstag im Berlin.
So würde die vorliegende Fassung, die sich auf die gewerbsmäßige Beihilfe konzentriert, nach Ansicht der Mehrheit der Ethikratsmitglieder "mehr Probleme als Lösungen" schaffen.
Das Gremium äußerte Bedenken, dass durch die Beschränkung auf die gewerbsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung größere Anreize für andere, im Gesetzentwurf nicht berücksichtigte Formen der organisierten Beihilfe geschaffen werden könnten.
Deshalb soll jede Form der organisierten Suizidbeihilfe zu regulieren. Wie die Regelungen aussehen könnten, wurde im Ethikrat kontrovers diskutiert.
Das Bundeskabinett hatte im August einen Gesetzentwurf zur Suizid-Beihilfe beschlossen, der die gewerbsmäßige auf Gewinnerzielung abzielende Suizid-Beihilfe etwa durch einen kommerziell arbeitenden Verein verbietet.
Weiterhin erlaubt sein soll aber die Suizid-Beihilfe aus altruistischen Motiven etwa durch nahe Angehörige von Schwerstkranken oder andere ihnen "nahestehende Personen".
Im ursprünglichen Entwurf des Justizministeriums waren damit auch Hausärzte und Pflegekräfte gemeint gewesen. Dieser Passus hatte aber für massive Kritik von Ärzten gesorgt und war dann im Regierungsentwurf zurückgenommen worden.
An der Palliativversorgung arbeiten
Eine solche enge Beziehung sei schwer zu überprüfen, gab der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery zu bedenken. "Wir wollen bei den Ärztekammern keine Gefühls- und Gesinnungsgerichtshöfe einrichten", sagte er im Rahmen seines Vortrags vor dem Ethikrat.
Montgomery befürchtet zudem eine Zerstörung des Arztbildes, wenn die ärztliche Assistenz beim Suizid erlaubt würde. Mit der Regelung wird außerdem nach Ansicht des BÄK-Präsidenten ein falsches Signal gesetzt.
Statt "die Schwelle zu einem Suizid zu senken", plädierte Montgomery dafür, die Anstrengungen zur Suizidprävention zu verstärken und die Palliativversorgung zu verbessern.
Armin Schmidtke, Vorsitzender des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland, sprach sich ebenfalls für eine bessere Palliativversorgung aus.
Die Forschung habe ausgemacht, dass die Menschen, die sich das Leben nehmen wollen, überwiegend der Auffassung sind, "keine Freiheitsgrade des Handelns mehr zu haben".
Deshalb sollen die Menschen verstärkt über die Möglichkeiten der Palliativmedizin und des würdigen Sterbens aufgeklärt werden. Eine adäquate Schmerzreduzierung bei schwer Erkrankten könne beispielsweise das Risiko von Suiziden senken, sagte Schmidtke.
Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Mitglied des Ethikrats, Wolfgang Huber, forderte die Ärzteschaft dazu auf, Handlungskonzepte für den Umgang mit Sterbenden zu entwickeln.
Angesichts der Komplexität des Themas hält der Ethikrat eine weitere gesellschaftliche Debatte für dringend erforderlich, wobei sie sich nicht nur auf Fragen der Suizidbeihilfe begrenzen, sondern auch und vor allem die Stärkung der Suizidprävention sowie den Ausbau der Palliativmedizin und -pflege in der medizinischen Praxis und in der Aus- und Weiterbildung im Blick haben soll.