Assistierter Suizid
Ethikrat warnt vor Gefahren eines "Sterbehilfegesetzes"
Der Deutsche Ethikrat hat Stellung zur Sterbehilfe bezogen. In Fragen des ärztlichen Berufsrechts hat das Gremium eine gänzlich andere Haltung als die Ärztekammern.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Deutsche Ethikrat hat Stellung zur Sterbehilfe bezogen. Dabei nimmt das Gremium in Fragen des ärztlichen Berufsrechts eine andere Haltung ein als die Ärztekammern.
Der Rat empfiehlt, die Landesärztekammern sollten einheitlich zum Ausdruck bringen, dass ungeachtet des Grundsatzes, dass Beihilfe zum Suizid keine ärztliche Aufgabe ist, im Widerspruch dazu stehende Gewissensentscheidungen in einem vertrauensvollen Arzt-Patient-Verhältnis bei Ausnahmesituationen respektiert werden.
"Nicht zuletzt im Sinne der Suizidprävention ist es (…) für schwer kranke Patienten wichtig, in ihrem Arzt auch dann einen vertrauensvollen Ansprechpartner zu sehen, wenn sie mit dem Wunsch nach einem vorzeitigen Tod ringen", heißt es in einer am Freitagvormittag verbreiteten Ad-hoc-Empfehlung zur Suizidbeihilfe.
Verpflichtung, Sterbenden beizustehen
Alle Ärzte in Deutschland hätten die Verpflichtung, Sterbenden beizustehen.
Diese Grundaussage werde durch zum Teil länderspezifische Formulierungen des Paragrafen 16 der Musterberufsordnung nicht in Frage gestellt.
Im Kern sagt die Empfehlung des Ethikrates, es sei besser, eher wenig zu tun. "Die geltende Gesetzeslage, wonach weder ein Suizid noch eine Beihilfe (...) strafbar sind, steht im Einklang mit den Prinzipien eines freiheitlichen Verfassungsstaates", heißt es in dem Papier.
In einer konkreten Handlungsempfehlung fordert der Rat den Gesetzgeber auf, im Betäubungsmittelrecht klar zu stellen, dass eine im Ausnahmefall erfolgende Verschreibung von Betäubungsmitteln auch im Rahmen einer Beihilfe zu einem frei verantwortlichen Suizid nicht strafbar sei.
Indirekt geht der Rat auch auf das Argument strikter Gegner der Suizidbeihilfe ein, organisierte Formen der Sterbehilfe und die Definition von Normalfällen verstärkten den Druck auf alte, gebrechliche und kranke Menschen, aus dem Leben zu scheiden.
Die Mehrheit des Rates stellt sich gegen eine eigene gesetzliche Regulierung der ärztlichen Suizidbeihilfe. Dies gelte auch für jede andere Berufsgruppe. Kasuistik im Gesetz ist an dieser Stelle aus Sicht des Ethikrats nicht erwünscht.
Suizidprävention stärken
In der Empfehlung unterstreicht eine Mehrheit der Mitglieder die Notwendigkeit, nicht nur die Palliativ- und Hospizversorgung auszubauen, sondern auch die allgemeine Suizidprävention zu stärken.
Ein gesetzliches Verbot ausschließlich der gewerbsmäßig organisierten und kommerziell betriebenen Organisationen zur Sterbehilfe hält eine Mehrheit der Ratsmitglieder nicht für hilfreich. Es schaffe mehr Probleme als es löse.
So hatten Mitglieder des Rates in einer Sitzung Ende November vor einem Verbot gewarnt, weil es möglicherweise vor dem Bundesverfassungsgericht nicht standhalten könnte.
Wohl aber solle der Gesetzgeber die Suizidbeihilfe dann verbieten, wenn sie auf Wiederholung angelegt sei und öffentlich erfolge. Dann erwecke sie nämlich den Anschein einer sozialen Normalität in der Praxis.
In der Empfehlung unterstreicht eine Mehrheit der Mitglieder, die Notwendigkeit, nicht nur die Palliativ- und Hospizversorgung auszubauen, sondern auch die allgemeine Suizidprävention zu stärken. Das deckt sich mit den Vorhaben der großen Koalition.
Der Bundestag steht am Beginn einer Debatte über den ärztlich assistierten Suizid. Fünf teilweise fraktionsübergreifende Anträge liegen vor.
Erste formale Gesetzesanträge sollen ab Februar beraten werden. Ein Gesetz soll im Herbst 2015 vorliegen.