Anhörung im Gesundheitsausschuss
Expertinnen halten EU-Grenzwerte für Luftschadstoffe für zu lasch
Die Europäische Union überarbeitet ihre Richtlinie für Luftqualität. Die Grenzwerte für Schadstoffe halten Expertinnen jedoch für ungenügend – denn sie sind doppelt so hoch wie in der WHO-Leitlinie.
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Hohe Abgas-Belastung an Straßen: Die EU will die Grenzen für Luftschadstoffe zwar senken, Experten reicht dies jedoch nicht.
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Berlin. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2021 ihre Leitlinien zur Luftqualität (Air Quality Guidelines - AQG) verschärft. Die Europäische Union (EU) will im Sommer nachziehen.
Im Juli wird das Parlament über eine neue Luftqualitätsrichtlinie abstimmen, die Experten allerdings für wenig ambitioniert halten. Der Grund: Die EU-Grenzwerte werden die WHO-Empfehlungen weit überschreiten.
Zwar habe sich die Luftqualität in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, sagte Professorin Babette Simon von der Universität Paris am Montagabend bei einer Anhörung zum Thema „Globale Gesundheitsrisiken“ im Bundestag-Gesundheitsausschuss.
Aber die jetzigen Grenzwerte für Luftschadstoffe entsprächen längst nicht mehr dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Gesundheitsauswirkungen von zu hohen Feinstaub-, Ozon- oder Stickstoffdioxidbelastungen.
EU muss ambitionierter sein
Auch die in der neuen EU-Richtlinie vorgesehenen Werte seien unter Gesundheitsschutz-Aspekten zu hoch. Sie übertreffen die Empfehlungen der WHO-AQG in der Regel um das Doppelte. So liegt der WHO-Grenzwert für Stickstoffdioxid bei 10 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die EU schlägt in der neuen Richtlinie 20 Mikrogramm vor.
Aufgrund des „Erkenntniszugewinns“ sollten die Grenzwerte weiter gesenkt werden. „Es wäre wünschenswert, wenn die EU hier ambitionierter wäre“, so Simon. Wie hoch die Stickstoffdioxid-Belastung im Jahr 2022 in Deutschland war, zeigt unsere nachfolgende Tabelle mit Werten von über 500 Messstationen des Umweltbundesamts.
400.000 Todesfälle pro Jahr werden auf Luftschadstoffe zurückgeführt in der Europäischen Union. Bis zu 850 Millionen Euro an Kosten entstehen für die Gesundheitssysteme.
Würde man die WHO-Werte zugrunde legen, lägen die meisten Länder in der EU über diesen, sagte Professor Barbara Hoffmann von der Uni Duisburg-Essen. Auch Deutschland müsse sich mehr anstrengen.
Mehr Messstationen nötig
Hoffmann, Simon wie auch Dorota Jarosinska des WHO European Center for Environment and Health forderten unter anderem, die EU-Richtlinie an die WHO-Grenzwerte anzupassen und weitere Schadstoffe zu berücksichtigen, die Einrichtung von Warnsystemen wie etwa einen Feinstaubalarm, ein dichteres Netzwerk an Messstationen, eine gesundheits- und umweltfreundlichere Verkehrspolitik sowie noch mehr Forschung.
Gesundheit müsse zudem auch „im Gespräch mit Städteplanern“ eine Rolle spielen, sagte Jarosinska. (juk)