Adipositas
GBA hofft auf fundierte Studienlage bei DMP
Mit einem Adipositas-Programm wäre das Dutzend DMP voll. Der GBA meldet derweil leichte Zweifel an, ob die Studienlage ausreicht, um evidenzbasierte Behandlungsleitlinien zu formulieren. Die seien aber ein Wesenskern der DMP.
Veröffentlicht:Berlin. Zu Beginn als Kochbuchmedizin abgetan, sind Disease-Management-Programme (DMP) inzwischen fester Bestandteil der Regelversorgung. Aktuell gibt es sechs Programme: Diabetes Typ 2, Brustkrebs (beide seit 2002), Koronare Herzkrankheit (seit 2003), Diabetes Typ 1 (seit 2004), Asthma bronchiale und Chronische obstruktive Lungenerkrankung (seit 2005).
Zudem hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) für Herzinsuffizienz, chronischer Rückenschmerz, Depression sowie Osteoporose inhaltliche Anforderungen für entsprechende DMP festgelegt. Die Programme befinden sich derzeit in der Umsetzung bei den Krankenkassen oder deren Verbänden.
Sie müssen anschließend noch vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) zugelassen werden. Mit einem GBA-Beschluss für ein weiteres DMP zur rheumatoiden Arthritis ist voraussichtlich bis zum Sommer 2021 zu rechnen.
Diabetes Typ 2 ist Mutter aller DMP
Käme das von der Koalition geplante DMP Adipositas hinzu, wäre das Dutzend voll. Unangefochtener Spitzenreiter unter den Programmen ist nach wie vor das zu Diabetes Typ 2 – knapp 4,4 Millionen Teilnehmer zählt das DMP inzwischen. Da mehrere chronische Erkrankungen – gerade im Alter – parallel auftreten, können sich Versicherte auch in mehrere Programme einschreiben lassen.
„DMP sollen (…) helfen, eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Versorgung sicherzustellen und bestehende Versorgungsmängel wie Über-, Unter- und Fehlversorgung in unserem Gesundheitssystem abzubauen. Angestrebt wird (…) auch eine Reduzierung der Gesamtbehandlungskosten durch Vermeidung von Komplikationen, Krankenhausaufenthalten und Folgeschäden“, fasst das BAS Ziel und Zweck der Behandlungsprogramme zusammen.
Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV und der Einführung eines Risikostrukturausgleichs erhalten die Kassen seit 2009 – unabhängig von der Teilnahme an einem DMP – für jeden Versicherten eine Grundpauschale. Diese erhöht oder verringert sich – je nachdem, wie hoch der Versorgungsbedarf ist. Maßgeblich dabei sind Alter, Geschlecht und Krankheit des Versicherten.
Damit die Kassen trotzdem DMP auflegen, erhalten sie aus dem Gesundheitsfonds für jeden in ein DMP eingeschriebenen Versicherten eine Programmkosten-Pauschale. Aufwendungen wie Dokumentations- oder Koordinationsleistungen sollen damit beglichen werden. Die Pauschale lag im Jahr 2020 bei knapp 146 Euro je eingeschriebenem Versicherten .
„DMP sind ein sehr gutes Versorgungsmodell für chronisch Kranke, gerade weil sie auf Basis von evidenzbasierten Leitlinien entwickelt und regelmäßig an neues medizinisches Wissen angepasst werden“, sagt der unparteiische GBA-Vorsitzende Professor Josef Hecken der „Ärzte Zeitung“. Dennoch nützten die besten DMP-Anforderungen des GBA nichts, „wenn Kassen und Ärzte vor Ort keine Verträge schließen – und hier scheint es in letzter Zeit zu haken“.
„Wirklich ein gangbarer Ansatz?“
Dass sich die Politik um eine bessere Adipositas-Versorgung bemüht, ist für Hecken folgerichtig. „Angesichts der Tatsache, dass ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland adipös ist, kann die Politik natürlich nicht den Kopf in den Sand stecken.“ Allerdings bleibe abzuwarten, ob ein DMP dafür wirklich ein „gangbarer Ansatz“ sei.
Der GBA habe bereits 2014 ein DMP Adipositas auf die Schiene setzen wollen, sei damals aber an den fehlenden Voraussetzungen gescheitert, erinnert Hecken. „Wir müssen nun hoffen, dass sich die Studienlage deutlich verbessert hat.“
Dass die DMP grundsätzlich ein Update für das 21. Jahrhundert brauchen, steht für Hecken außer Frage. „Regelhaft werden wir in diesem Zusammenhang auch prüfen, ob es geeignete digitale Anwendungen gibt, die das DMP-Angebot noch besser machen.“ Eine „Digitalisierung der Digitalisierung zuliebe“ dürfe jedoch nicht das Ziel der Programme sein.