Gauck neuer Bundespräsident

Joachim Gauck ist wie erwartet neuer Bundespräsident, und die Zustimmung ist groß. Dennoch gibt es einen Wermutstropfen. Bei der Wahl versagten ihm mehr als 100 Delegierte aus den eigenen Reihen die Stimme.

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Das neue Staatsoberhaupt samt Lebensgefährtin: Joachim Gauck und Daniela Schadt.

Das neue Staatsoberhaupt samt Lebensgefährtin: Joachim Gauck und Daniela Schadt.

© Sören Stache / dpa

BERLIN (dpa). Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident. Die Bundesversammlung wählte den früheren DDR-Bürgerrechtler am Sonntag mit großer Mehrheit zum Nachfolger von Christian Wulff.

Der 72-Jährige erhielt 991 von 1228 gültigen Stimmen, das entspricht einer Zustimmung von gut 80 Prozent. Jedoch versagten Gauck mindestens 103 Delegierte aus dem eigenen Lager die Stimme.

Für Gaucks Gegenkandidatin Beate Klarsfeld votierten 126 Delegierte. Damit erhielt die als Nazi-Jägerin bekanntgewordene 73-Jährige mindestens drei Stimmen von Vertretern anderer Parteien - die sie unterstützende Linkspartei stellte nur 123 Delegierte.

Der Kandidat der rechtsextremen NPD, der revisionistische Historiker Olaf Rose, bekam 3 Stimmen. Insgesamt 108 Delegierte der Bundesversammlung enthielten sich.

“Was für ein schöner Sonntag“

Als Bundestagspräsident Norbert Lammert das Wahlergebnis verkündete, brandete Beifall in der Bundesversammlung auf. Gauck erhob sich unmittelbar von seinem Platz und nahm die Wahl an. "Was für ein schöner Sonntag", sagte er.

Mit der Annahme der Wahl ist Gauck als Staatsoberhaupt offiziell im Amt. Voraussichtlich schon an diesem Montag nimmt er die Amtsgeschäfte auf. Die Vereidigung des elften Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen.

In einer kurzen Ansprache versicherte Gauck, sein neues Amt mit allen Kräften und mit ganzem Herzen ausfüllen zu wollen. "Ich werde mit all meinen Kräften und meinem Herzen "Ja" sagen zu der Verantwortung, die Sie mir heute gegeben haben."

Gleichzeitig räumte er ein, "ganz sicher nicht alle Erwartungen erfüllen zu können", die in den kommenden fünf Jahren an ihn gerichtet würden. Er wolle sich jedoch nun auf neue Themen, Probleme und Personen einstellen.

Gauck erinnerte an seine erste freie Wahl zur DDR-Volkskammer am 18. März vor 22 Jahren. "In jenem Moment war da in mir neben der Freude ein sicheres Wissen: Ich werde niemals eine Wahl versäumen."

Auch als Präsident könne er sich die Welt und das Land nicht denken ohne Freiheit und Verantwortung. Er nehme diesen Auftrag mit Dankbarkeit an.

Erstes ostdeutsches Staatsoberhaupt

Der parteilose Theologe wurde von einer bislang einmaligen Fünf-Parteien-Koalition aus CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen unterstützt, die in der Bundesversammlung insgesamt 1100 Mandate hatte. Wegen sechs Krankheitsfällen waren es faktisch aber nur 1094 Delegierte. Außerdem hatten die zehn Wahlleute der Freien Wähler Gauck ihre Unterstützung zugesagt.

Gauck ist mit 72 Jahren der älteste aller Bundespräsidenten und der erste Ostdeutsche im höchsten Staatsamt. Er trat zum zweiten Mal an; bereits im Juni 2010 war er als Kandidat von SPD und Grünen gegen den CDU-Bewerber Wulff ins Rennen gegangen, gegen den er im dritten Wahlgang knapp unterlag.

Gauck arbeitete bis zur Wende als evangelischer Pfarrer in Rostock. Bundesweit bekannt wurde er als erster Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, die er von 1990 bis zum Jahr 2000 leitete und prägte.

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 18.03.201218:30 Uhr

Pastor Gauck/Nazi-Jägerin Klarsfeld

Welche Partei in einer Demokratie der Welt würde eine Präsidentschafts-Kandidatin aufstellen, die einen früheren Regierungschef öffentlich geohrfeigt und sogar körperlich verletzt hat, und damit massiv auch seine Würde?
Es handelt sich hierbei um die SED-Nachfolgepartei "Die Linke", welche die Deutsch-Französin Beate Klarsfeld, trotz ihrer groben und niemals entschuldigten Verfehlung an dem ehemaligen NSDAP-Mitläufer, durch US-amerikanische Behörden entnazifizierten, demokratisch konvertierten und frei gewählten Große-Koalition-Krisen-Kanzler Dr. Kurt-Georg Kiesinger vor der Bundesversammlung 1968, zur Bewerbung für das höchste Amt in Deutschland aufgestellt hat.
In welchem Lande und Staat auf der Welt könnte so ein Eklat sonst noch stattfinden?
Der nun gewählte präsidiale Schönredner Gauck muß jetzt aber auch noch Klartext sprechen. In seinem Büchlein "Freiheit" (2012) mit dem merkwürdigen Untertitel -Ein Plädoyer- (=anwaltliches Schlußwort im Gerichtsprozeß), statt schlicht -Ein Bekenntnis- (abzugeben), hat er weder den vielzitierten Begriff Freiheit (für Menschen), noch die Verantwortung (in der Gesellschaft) eindeutig für Jüngere definiert.
Ich hoffe sehr, daß er als erster Mann und respektvolle Person in der deutschen Republik rasch begreift, daß es der Politik gut tut, wenn aus seiner unparteiischen Position heraus gelegentlich ein grundsätzliches und unmißverständliches "Machtwort" von ihm gesprochen wird.
Und zwar darüber, was die Politiker im Tagesgeschäft versäumt, oder noch vordringlich für das Land und Volk zu erledigen haben.
Schließlich hat er mit Herrn von Weizsäcker darin ein großes Vorbild gehabt.
Ob er dafür als ev. Prediger auch hinreichend ein homo politicus ist?
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt (Jg. 1945, DDR-Ostseeflüchtling 1966) aus Rostock

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