Entwurf einer neuen Pflegereform

Gestaffelte Entlastung bei Pflege-Eigenanteilen angedacht

Laut einem Arbeitsentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn sollen Heimbewohner bei den pflegebedingten Eigenanteilen um etwa 600 Euro im Monat entlastet werden. Für Streit mit der Ärztelobby dürften die Pläne zur Substitution ärztlicher Aufgaben sorgen.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht:
Der pflegebedingte Eigenanteil macht den Betroffenen immer mehr zu schaffen.

Der pflegebedingte Eigenanteil macht den Betroffenen immer mehr zu schaffen.

© marcus hofmann / stock.adobe.com

Berlin. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die pflegebedingten Eigenanteile an der Heimversorgung zeitlich gestaffelt begrenzen. Das geht aus einem Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für ein „Pflegereformgesetz“ hervor. Das Papier liegt der „Ärzte Zeitung“ vor.

Demnach soll der pflegebedingte Eigenanteil bei Pflegebedürftigen, die länger als ein Jahr vollstationäre Leistungen beziehen, um 25 Prozent gesenkt werden. Bei Pflegebedürftigen, die länger als 24 Monate entsprechende Leistungen erhalten, soll der Eigenanteil um 50 Prozent und bei Pflegebedürftigen, die seit über drei Jahren im Heim leben, um 75 Prozent gesenkt werden.

Pflegebedingter Eigenanteil: Im Schnitt 831 pro Monat

Derzeit müssen die bundesweit gut 800.000 Heimbewohner einen pflegebedingten Eigenanteil von im Schnitt 831 Euro im Monat zahlen. Bei einer Reduzierung um 75 Prozent würde ein Bewohner also um etwa 600 Euro monatlich entlastet.

Hinzu kommen allerdings noch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung (779 Euro) sowie Investitionskosten (458 Euro). Laut Berechnungen der Ersatzkassen liegt der komplette Eigenanteil an den Pflegeheimkosten im Bundesdurchschnitt aktuell bei 2068 Euro monatlich – knapp 130 Euro mehr als im vergangenen Jahr.

Länder in der Pflicht

Um Entlastung für Pflegebedürftige und Angehörige zu schaffen, sollen die Bundesländer durch „eine verbindliche Finanzierung der Investitionskosten in Höhe von 100 Euro für jeden vollstationär versorgten Pflegebedürftigen“ beteiligt werden, ist dem Arbeitsentwurf des Spahn-Ministeriums zu entnehmen.

Aus SPD-Kreisen war zu hören, es handele sich bei dem Papier um einen in der Koalition nicht abgestimmten Arbeitsentwurf. Kritik äußerte die Linken-Pflegepolitikerin Pia Zimmermann. Mit dem Deckeln der Kosten ab dem zweiten Jahr im Pflegeheim werde die Öffentlichkeit „nur veralbert“, sagte Zimmermann am Montag.

Ein Großteil der Menschen im Heim verstürben bereits im ersten Jahr. Heimbewohner benötigten „sofort“ eine spürbare Entlastung“ und nicht erst dann, „wenn sie wegen der Kosten schon längst verarmt sind“.

„Bessere Pflege kostet Geld“

„Demografisch bedingt“ steige die Zahl der Menschen, die Pflege benötigen, weiter an, begründet das BMG seinen Vorstoß. Bessere Pflege koste Geld. „Das darf aber nicht dazu führen, dass immer mehr Pflegebedürftige durch steigende Eigenanteile in der stationären Pflege finanziell überfordert werden.“

Mit der Pflegereform sollen dem Papier zufolge noch weitere Baustellen abgeräumt werden. Dazu zählen unter anderem:

Für die häusliche Pflege sind höhere Leistungsbeiträge sowie „flexibler kombinierbare Leistungen durch einen gemeinsamen Jahresbetrag für Kurzzeit- und Verhinderungspflege“ vorgesehen.

Die Kosten für Maßnahmen der geriatrischen Rehabilitation für Versicherte ab 70 Jahre sollen zur Hälfte von der Pflegeversicherung getragen werden. Dadurch entstünden den Krankenkassen „Impulse“, älteren Versicherten mehr Rehabilitationsmaßnahmen anzubieten.

Die Finanzierung von Pflege soll auf breiterer Grundlage erfolgen. So soll der Bund wie bei der Kindererziehung Beitragszahlungen zur Rentenversicherung für pflegende Angehörige zahlen. Ein pauschaler Bundeszuschuss trage zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben bei, heißt es im Entwurf. Für den Bund ergäben sich daraus in diesem Jahr Mehrausgaben in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Ab 2022 seien es bereits 5,1 Milliarden Euro. Dass 2021 in den Planungen auftaucht, legt nahe, dass das BMG von einer Reform noch in diesem Jahr ausgeht.

Streit dürften jene Passagen im Entwurf provozieren, die auf eine „Übernahme von erweiterten Aufgaben in der Versorgung“ abzielen. Da die auf Freiwilligkeit fußende Regelung für entsprechende Modellprojekte nach Paragraf 63 Absatz 3c SGB V bisher „kaum genutzt“ worden sei, sollen die Kassenverbände auf Landesebene nunmehr verpflichtet werden, „zeitnah in jedem Bundesland ein entsprechendes Modellvorhaben durchzuführen“. Gelingt das nicht, greift ein Schiedsverfahren.

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Um bei den Modellen zügig Ergebnisse zu erzielen, soll deren Dauer auf vier Jahre begrenzt sein. Damit die Projekte nicht als Rohrkrepierer enden, sollen sie über Verträge zur „Besonderen Versorgung“ nach Paragraf 140a SGB V verstetigt werden. Das ersetze zwar nicht die Übernahme in die Regelversorgung, biete aber für Pflegekräfte „eine Perspektive für die weitere Ausübung der Tätigkeit“.

Die Ärztelobby lehnt die Substitution ärztlicher Aufgaben bislang strikt ab. Der Pflegerat hatte zuletzt größere Kompromissbereitschaft verlangt.

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