Altenbericht

Giffey sieht „digitale Spaltung in der Gesellschaft“

Digitales ist bei Senioren auf dem Vormarsch: Immer mehr ältere Menschen nutzen Internet und Apps – etwa für einen virtuellen Arztbesuch. Doch die Nutzung hängt stark von zwei Faktoren ab, wie aus dem Altenbericht der Bundesregierung hervorgeht.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey präsentiert den achten Altenbericht der Bundesregierung.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey präsentiert den achten Altenbericht der Bundesregierung.

© Carstensen/dpa

Berlin. Die Bundesregierung sieht in der Digitalisierung große Chance für ältere Generationen. Mit Blick auf die Nutzung digitaler Angebote durch Senioren gebe es ein „riesiges Potenzial“, das längst nicht ausgeschöpft sei, sagte Seniorenministerin Dr. Franziska Giffey (SPD) bei der Vorstellung des neuen Altenberichts am Mittwoch in Berlin. Zuvor hatte das Kabinett den Bericht beraten.

Nicht zuletzt die COVID-19-Pandemie mache deutlich, dass Senioren digitale Medien unterschiedlich stark nutzten, sagte Giffey. Der Altenbericht mache deutlich, dass es eine „digitale Spaltung in der Gesellschaft“ gebe. Diese verlaufe nicht nur zwischen Jung und Alt, „sondern auch innerhalb der älteren Generation“.

Umfragen zeigten, dass sich viele Senioren nur schwer in der digitalen Welt zurechtfänden, sagte Giffey. „Insofern ist es sehr bedeutsam, die Digitalkompetenzen älterer Menschen zu stärken.“ Ideale Orte dafür seien die bundesweit rund 500 Mehrgenerationenhäuser. Grundsätzlich müssten digitale Angebote auch den Bedürfnissen älterer Generationen Rechnung tragen.

Digitalisierung bedeute aus deren Sicht nicht nur die Möglichkeit, mit Kindern und Enkeln zu skypen oder sich etwas im Internet zu bestellen. „Es geht auch um echte Teilhabe und Zugang zu Informationen.“

Schicht und Bildung entscheidend

„Digitalisierung ist für die Gruppe älterer Menschen genauso bedeutsam wie für die Gruppe nachfolgender Generationen“, sagte der Vorsitzende der Altersberichtskommission und Direktor des Instituts für Gerontologie an der Uni Heidelberg, Professor Andreas Kruse. Eine Digitalisierungsstrategie müsse daher Belange und Bedürfnisse älterer Menschen in gleicher Weise im Blick haben wie die jüngerer Generationen.

Digitale Spaltung habe „sehr viel“ mit Schichtzugehörigkeit, Bildungsstand und materiellen Ressourcen eines Menschen zu tun, sagte Kruse. Wenn Digitalisierung zu mehr Teilhabe und einer besseren medizinischen und pflegerischen Versorgung beitrage, müssten davon alle älteren Menschen gleichberechtigt profitieren.

Virtueller Arztbesuch, ePA etc.

Der Altenbericht wird je Wahlperiode erstellt. Schwerpunkt des aktuellen Berichts ist die Frage, welchen Beitrag Digitalisierung für ein gutes Leben im Alter leisten kann – auch bei Gesundheit und Pflege.

Mithilfe technischer Assistenzsysteme oder Smart-Home-Technologien, heißt es dazu im Bericht, ließen sich alltägliche Dinge auch im zunehmenden Alter bewerkstelligen. Die digitalen Anwendungsgebiete bei Gesundheit und Pflege seien vielfältig. Sie reichten von elektronischen Patientenakten über virtuelle Arztbesuche bis hin zu Assistenzsystemen im eigenen Wohnzimmer.

Um das Potenzial auszuschöpfen, sei die digitale Infrastruktur auszubauen. Dazu gehörten der Netzausbau besonders in ländlichen Gebieten und die kostenfreie Bereitstellung von Internetzugängen im öffentlichen Raum.

Flächendeckendes Internet

„Der Bericht ist gut, aber jetzt muss auch etwas passieren“, sagte der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) und frühere SPD-Chef, Franz Müntefering. Internet und Mobilfunk müssten flächendeckend gut nutzbar sein. „Das ist jetzt wirklich mal an der Zeit.“

Es sei „nicht in Ordnung“, dass da, wo die meisten alten Menschen lebten, die Bedingungen für die Nutzung digitaler Medien „die schlechtesten sind“, kritisierte Müntefering. Ältere Menschen wiederum seien aufgefordert zu prüfen, „was von der Digitalisierung kann mir nützlich sein“. Akzeptieren müsse man aber auch, wenn sie digitale Anwendungen ablehnten. Das sei ihr gutes Recht.

„Menschen für Menschen, das ist nicht entbehrlich“

Der Digitalisierung seien aber auch Grenzen gesetzt, betonte Müntefering. Ein Drittel aller Pflegeheimbewohner in Deutschland seien schwer krank und viele kognitiv geschwächt. Sie könnten digitale Angebote kaum nutzen. Das mache deutlich: „Menschen für Menschen – das bleibt eine Notwendigkeit, das ist nicht entbehrlich.“ Digitalisierung könne vieles erleichtern, aber nicht alles ersetzen.

Die Grünen riefen die Bundesregierung unterdessen dazu auf, Digitalisierung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu verstehen. Niemand dürfe „auf ein Abstellgleis“ geraten, forderte die Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik der Grünen-Fraktion, Kordula Schulz-Asche, am Mittwoch. Es gelte, „Rahmenbedingungen und Standards zu setzen, die von Niederbayern bis Usedom gelten“.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

70 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025

Positionspapier veröffentlicht

Amtsärzte: Pakt alleine macht den ÖGD nicht zukunftsfähig

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Roboter, der Akten wälzt? Künstliche Intelligenz kann bereits mit Leitlinien umgehen – jedenfalls wenn sie so gut strukturiert sind wie die der DEGAM.

© Iaroslav / stock.adobe.com

Digitalisierung in der Medizin

Kollegin Dr. ChatGPT? Wie Künstliche Intelligenz Ärzten helfen könnte

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

© Solventum Germany GmbH

Solventum Spracherkennung

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

Anzeige | 3M Healthcare Germany GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Eszopiclon verbesserte signi?kant beide polysomnographisch bestimmten primären Endpunkte: Schla?atenz (a) und Schlafe?zienz (b)bei älteren Patienten mit chronischer primärer Insomnie (jeweils p0,05)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziet nach [20]

Behandlungsbedürftige Schlafstörungen bei älteren Menschen

Schlafstörungen können typische Altersprozesse triggern und verstärken

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: HENNIG Arzneimittel GmbH & Co. KG, Flörsheim
Carl Billmann, Leiter der Stabsstelle IT, Marketing & Kommunikation bei BillmaMED, Medizinstudent mit dem Berufsziel Dermatologe.

© Doctolib

Interview

„Am Empfang haben wir Stress rausgenommen“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Die Patientin tippt ihre Nachricht ins Smartphone, das Praxisteam antwortet direkt über
den Desktop. So sind Vereinbarungen über ein E-Rezept oder eine Befundmitteilung vom Facharzt schnell übermittelt.

© [M] Springer Medizin Verlag | Foto: A_B_C / stock.adobe .com

Digitale Patientenkommunikation

„Das Potenzial für die Zeitersparnis ist riesig“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Behandlungstipps

Psoriasis und Komorbiditäten: Welche Therapie wirkt am besten?

70 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025

Lesetipps
Dr. Carsten Gieseking

© Daniel Reinhardt

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Eine Spritze für eine RSV-Impfung liegt auf dem Tisch.

© picture alliance / Ulrich Baumgarten

Update

Umfrage unter KVen

Erst sechs Impfvereinbarungen zur RSV-Prophylaxe Erwachsener