National Health Service
Großbritannien will Beitragszahler entlasten
In Deutschland sollen die Krankenkassenbeiträge steigen, im Vereinigten Königreich soll das Gegenteil geschehen. Ärzteverbände fürchten wachsende Finanzlöcher.
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Der neue Schatzkanzler Kwasi Kwarteng plant radikale Steuersenkungen für die Briten. Auch die Beiträge zur National Insurance sollen gesenkt werden.
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London. In Großbritannien sinken die Beiträge zur Krankenversicherung. Die überraschende Kehrtwende, die am Freitag vom neuen britischen Schatzkanzler Kwasi Kwarteng in London bekannt gegeben wurde, bedeutet, dass die erst kürzlich eingeführten Anhebungen der Beiträge zur National Insurance (NI) wieder rückgängig gemacht werden. Das freilich alarmiert die britische Ärzteschaft.
Wie der Schatzkanzler am Freitag bei der Vorlage seines Mini-Haushalts vor lautem Applaus im britischen Unterhaus sagte, werde der Beitrag zur NI mit Wirkung vom 6. November 2022 an um 1.25 Prozentpunkte sinken. Zuvor waren die Beiträge im April 2022 um genau diesen Prozentsatz angehoben worden. Seinerzeit wurde das mit einem großen Finanzloch im staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) begründet.
Zwar ist die Finanznot im stellenweisen maroden britischen Gesundheitsdienst nichts Neues. Allerdings hat sich die Situation nicht zuletzt durch die COVID-Pandemie noch einmal deutlich verschlimmert. Die Beitragsanhebung im April sollte Abhilfe schaffen, was seinerzeit auch von der britischen Ärzteschaft und anderen Leistungsanbietern im Gesundheitssektor begrüßt worden war.
Gesundheitsabgabe zur Stützung von Praxen gekippt
Jetzt also die überraschende Kehrtwendung. Ebenfalls in den Papierkorb der Regierung wanderte ein noch unter dem ehemaligen Premierminister Boris Johnson angekündigte allgemeine Gesundheitsabgabe, um Praxen und Kliniken mehr zu unterstützen. Diese Abgabe sei „überflüssig“ und „kontraproduktiv“, so Kwarteng.
Ärzteverbände kritisierten die Beitragssenkungen als „unverantwortlich“ angesichts der enormen Probleme in den britischen Praxen und Kliniken. „Das Finanzloch wird nicht kleiner, wenn man einfach so tut, als gäbe es dieses Loch gar nicht“, so ein Sprecher des größten ärztlichen Berufsverbandes (British Medical Association, BMA).
Steuermittel sollen Löcher stopfen
Dagegen verteidigte die Regierung die Senkungen, die einhergehen sollen mit weiteren teils umfassenden Steuersenkungen. Die NI-Senkung sei „sinnvoll“ und rund 28 Millionen Beitragszahlerinnen und -zahler würden davon profitieren, indem sie durchschnittlich umgerechnet rund 360 Euro pro Jahr an Beiträgen sparten.
Kwarteng versprach, den NHS nicht im Stich zu lassen und eventuelle Finanzlöcher „aus allgemeinen Steuermitteln“ stopfen zu wollen. (ast)