Große Kluft sorgt für dicke Luft in Görlitz
Ein Chefurologe in Görlitz bekommt ein stolzes Gehalt, gleichzeitig soll ein billiger Pflegeservice aufgebaut werden. Das Management sieht sich auf gutem Kurs, die Stimmung unter den Angestellten leidet.
Veröffentlicht:GÖRLITZ. Am Städtischen Klinikum in Görlitz drohen Verwerfungen zwischen Angestellten des Pflegebereichs und dem medizinischen Personal. Anlass sind Personalentscheidungen des neuen Geschäftsführers des städtischen Klinikums, René Bostelaar.
So wurde jüngst bekannt, wie Bostelaar den Urologen Dr. Hermann Josef Schmitz (56) vom Görlitzer Malteser-Krankenhaus St. Carolus als Chefarzt abwarb. 13 Wochenstunden Arbeitszeit sind in dem Arbeitsvertrag vereinbart - bei einem Jahresgehalt von einer viertel Million Euro.
Gleichzeitig befindet sich Bostelaar in intensiven Verhandlungen mit dem Betriebsrat. Es geht um seinen Plan, zu Jahresbeginn die Zeitverträge mit Pflegekräften nicht mehr zu verlängern, um im Gegenzug Langzeitarbeitslose für einen sogenannten Patientenservice einzusetzen.
Gerade laufen Krisengespräche zwischen Betriebsrat und Klinikmanagement. Der Betriebsrat beschäftigt sich nicht mit dem 250.000-Euro-Vertrag des Urologen. Bedeutend für die Verhandlungen über die Ausgliederungen ist er aber allemal.
Offiziell mag sich wegen der laufenden Gespräche kein Betriebsrat äußern. Auf die Frage, ob sich durch solche Verträge das Gefühl der Benachteiligung bei den Pflegekräften nicht noch vergrößere, heißt es bei einem Beteiligten aber, dass "sich das ja wohl von selbst beantwortet".
Der Urologe Schmitz betreibt in Görlitz seit Langem eine urologische Praxis, auch vor seiner Abwerbung durch das Städtische Klinikum arbeitete er parallel dort. Klinikchef Bostelaar bezeichnet die 250.000 Euro Jahreseinkommen als "durchschnittlich".
Dass Schmitz parallel eine Praxis betreibe, sei dem Fachkräftemangel geschuldet und gar nicht anders möglich. Genauso seien die 13 Stunden an der Klinik arbeitsrechtlich vorgegeben.
Die Arbeit Schmitz' in seiner Praxis diene der Patientenrekrutierung, so Bostelaar, und damit letztlich auch der Klinik. Ärgerlich sei für ihn nur, dass öffentlich über Gehälter diskutiert werde. "Das ist indiskret."
Das Konzept des Patientenservice hat Bostelaar zuvor schon als Vorstand der Uniklinik Köln umgesetzt. Nach seiner Meinung dient es nicht der Abwertung des Pflegedienstes, sondern genau dem Gegenteil. Konkret ginge es darum, mehr Personal einzustellen.
So sollen die umgeschulten, billigeren Kräfte aus dem Pflegeservice ungefähr im Verhältnis zwei zu eins pro gekürzter Pflegestelle eingestellt werden. Entlassungen soll es in der Pflege nicht geben, nur eben einige Zeitverträge nicht mehr verlängert werden, argumentiert der Klinikchef. Etwas mehr als 1300 Angestellte hat das Klinikum, davon arbeiten 150 mit Zeitverträgen.
Diese befristeten Stellen sollen auf bis zu 30 abgebaut werden, konkrete Zahlen liegen aber noch nicht vor. Außerdem sollen "Case-Manager" eingestellt werden. Das sollen Pflegekräfte sein, die Ärzte unterstützen.
Das Konzept, das Bostelaar als "Pilotprojekt" begriffen wissen will, sieht eine Arbeitsentlastung von oben nach unten vor. So sollen den tendenziell immer schwerer belasteten und unzufriedeneren Ärzten organisatorische Aufgaben von Pflegekräften abgenommen werden.
Um diesen wiederum mehr Freiräume zu schaffen, werde der Pflegeservice leichte pflegerische Aufgaben übernehmen, zum Beispiel Hilfe beim Toilettengang. "Ich werte die Pflege damit auf", sagt Bostelaar. Ein Pflegeservice sei auch deshalb nötig, da mit dem absehbaren Wegfall der Wehrpflicht auch die Zivildienstleistenden in der Klinik ausfallen.
Die Gewerkschaft Verdi begleitet die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Management. Laut Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Heiderose Förster tragen "Patientenservicekräfte auch aus Sicht der Gewerkschaft zur Verbesserung der Patientenversorgung und zur Entlastung von Aufgaben des Pflegepersonals bei".
Allerdings fordert sie, dass die Servicekräfte "zusätzlich zum bestehenden Pflegepersonal" eingesetzt werden und ihre Aufgaben "klar gegenüber dem Pflegepersonal abgegrenzt werden".
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