Medizin für Migranten
Grüne fordern mehr Beratung
Seit August 2011 berät die Unabhängige Patientenberatung auch auf Türkisch und Russisch. Doch bundesweit gibt es gerade einmal vier Beratungsstellen. Viel zu wenig, klagen die Grünen.
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Nachholbedarf bei der Beratung: Pflegekraft betreut Migrantin.
© Stache / dpa
BERLIN. Jährlich nutzen rund 3000 Menschen die Unabhängige Patientenberatung (UPD) auf Russisch oder Türkisch. Das belegt eine Evaluation des UPD-Angebots der Universität Bielefeld.
Bereits seit Mitte 2011 bietet die UPD in Ergänzung zu ihren bestehenden Informations- und Beratungsangeboten in vier Städten - Stuttgart, Berlin, Dortmund und Nürnberg - auch eine Beratung in türkischer und russischer Sprache an.
Insgesamt leben etwa 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Im komplizierten Gesundheitssystem haben Menschen mit ausländischen Wurzeln aus Sicht der UPD oft das Nachsehen.
Vor allem stellten Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und Wissenslücken über das deutsche Gesundheitssystem besonders große Hürden dar, sagte Gesundheitsexpertin Dr. Annett Horn von der Universität Bielefeld am Mittwoch in Berlin.
"Oft verstehen Migranten ihren Arzt nicht und kennen teilweise nicht einmal ihre Diagnose", so Horn.
In der Folge türmen sich die Probleme der Betroffenen immer weiter auf: "Viele ziehen von einem Arzt zum nächsten und nehmen darüber hinaus unterschiedliche Beratungsangebote in Anspruch", sagte Horn.
Übrig bleibe das Gefühl, dass ihnen nicht geholfen werde. "Viele Ratsuchende, die bei unserer muttersprachlichen Beratung anrufen, haben gegenüber Instituten ein tief greifendes Misstrauen entwickelt", ergänzte UPD-Geschäftsführer Dr. Sebastian Schmidt-Kaehler.
Die Förderung der Beratung auf Russisch und Türkisch wurde jetzt noch einmal bis Ende 2018 ausgeweitet. Sie wird vom Verband der privaten Krankenversicherung mit jährlich 373.000 Euro finanziert.
Finanzierung in der Kritik
Per Gesetz darf der Verband keinen Einfluss auf den Inhalt und Umfang der Berufstätigkeit nehmen. Der GKV-Spitzenverband fördert die deutschsprachige Beratung der UPD mit rund fünf Millionen Euro jährlich.
Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink kritisierte die Finanzierung der UPD als "nicht ausreichend". Außerdem sei die Zahl der Beratungsstellen bundesweit zu gering, um dem gestiegenen Bedarf der Ratsuchenden gerecht werden zu können.
"Wir halten nach wie vor eine Erhöhung der Anzahl der Beratungsstellen für notwendig und fordern eine Dynamisierung und eine Ausweitung der derzeitigen Finanzierung auf jährlich 10,5 Millionen Euro", so Klein-Schmeink.
Die Beratungsstellen müssten zudem die Inhalte und den Umfang der Beratungstätigkeit frei bestimmen können. Zur Gewährleistung der Unabhängigkeit sei es erforderlich, die UPD unter die Rechtsaufsicht des Bundesversicherungsamts zu stellen.
Die Ratsuchenden seien mit der Beratung vor allem dann besonders zufrieden, wenn sie sich darauf verlassen könnten, dass Leistungen unabhängig von Interessen Dritter und von kommerziellen und berufsständischen Interessen erbracht würden.
"Bei sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen ist aktives Zugehen auf die Betroffenen oft die einzige Möglichkeit, um diese Versicherten zu erreichen", sagte Klein-Schmeink.
Dies ist mit der derzeitigen Finanzierung von 5,367 Mio. Euro über die GKV und der freiwilligen Finanzierung von 373.000 Euro jährlich über die PVK nicht möglich. (sun)