EU einigt sich auf Hilfspaket

Gute Besserung, Griechenland!

Die 19 Euroländer haben nach einer Marathonsitzung eine Einigung im griechischen Schuldendrama erreicht. Im Land wächst die Hoffnung, dass es wieder bergauf geht - auch für das krankende Gesundheitssystem.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Forderung nach einer besseren Pflege und Zugang zu Arzneien: Körperlich behinderte Griechen demonstrieren vor dem Gesundheitsministerium.

Forderung nach einer besseren Pflege und Zugang zu Arzneien: Körperlich behinderte Griechen demonstrieren vor dem Gesundheitsministerium.

© Geiss / dpa

ATHEN. Nachdem die 19 Staats- und Regierungschefs der Eurozone den Weg für Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket für Griechenland geebnet haben, muss Griechenlands Parlament bis spätestens Mittwoch die verlangten Reformgesetze verabschieden.

Im ersten Schritt sieht das von den EU-Staaten vorgeschriebene Gesetzespaket etwa eine Vereinheitlichung der Mehrwertsteuer sowie eine Reform des Rentensystems vor. Bis 2022 soll das Rentenalter auf 67 Jahre steigen.

Weiterhin verlangen die Euro-Staaten unter anderem eine Liberalisierung der griechischen Wirtschaft. Mehr Läden sollen beispielsweise am Sonntag öffnen dürfen, gelockert werden sollen auch die Regeln für Apotheken.

Insgesamt beziffert die Eurogruppe den Finanzbedarf Griechenlands auf 82 bis 86 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren.

Der Bundestag muss - ebenso wie die nationalen Parlamente anderer Euro-Staaten - der Aufnahme von Verhandlungen über ein Hilfsprogramm aus dem Euro-Rettungsfonds jedoch zustimmen. Die vorläufige Einigung im Schuldenstreit bedeutet deswegen nicht automatisch ein Ende des Schuldendramas.

Mangel an Fachärzten

Unklar bleibt daher auch, wann eine Besserung der dramatischen Lage der Gesundheitsversorgung in Griechenland naht. Ein Drittel der Bevölkerung hat keine Krankenversicherung mehr, nach Zahlungsrückständen droht ein Engpass in der Versorgung mit Arzneimitteln.

"Heute arbeiten viele Kliniken immer öfter ganz ohne Assistenzärzte, die Dienstpläne können nicht ausgefüllt werden, und man sucht, vor allem in ländlichen Gegenden, vergebens nach bestimmten Fachärzten", berichtet Dr. Boris Treptow, Oberarzt in der Chirurgie am Uniklinikum Heraklion (Kreta), im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Die aktuelle Lage sei das Ergebnis der über fünf Jahre andauernden Sparpolitik.

Professor Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) sagte, dass die BÄK, die im engen Kontakt mit den Kollegen vor Ort stehe, die Situation mit "großer Sorge" beobachte.

Die Folgen reichten dabei wesentlich weiter als die Schlangen, die sich in Praxen und Kliniken bildeten, sagt Treptow: "Weitere Problembereiche sind der Rückgang der Kinderimpfungen, ein Anstieg der kardiovaskulären Risikofaktoren bei schlechter Ernährung, die enorm gestiegene HIV-Infektionsrate, ein Anstieg von Depressionen sowie der Selbstmordraten - vor allem bei Menschen in arbeitsfähigem Alter."

Der Chirurg sieht zumindest Grund zur Hoffnung: Gesundheitsminister Panagiotis Kouroumplis habe seit seinem Amtsantritt im Januar stets Maßnahmen zu ergreifen versucht, die die Missstände mildern: "Die Gebühr von fünf Euro für den Besuch einer Krankenhausambulanz wurden ebenso wie die Rezeptgebühr von einem Euro abgeschafft", sagt Treptow.

"Eine Krankenkarte für Unversicherte und Arbeitslose, die den Zugang zur Gesundheitsversorgung gewährleisten soll, ist bereits entschieden. Die Einigung bei den Verhandlungen könnte bei der Finanzierung sicherlich sehr hilfreich sein."

Doch Treptow bleibt skeptisch. Allein die Karte würde rund 500 Millionen Euro kosten. "Es bleibt abzuwarten, ob die in den letzten Jahren bis auf unter die 5 Prozent des BIP gedrückten Ausgaben für Gesundheit den überlebenswichtigen Kernfragen und deren Finanzierung wieder angepasst werden ,dürfen‘", so der Arzt.

Auch hätten griechische Medien berichtet, dass dringliche Einstellungen von Personal erst in einigen Monaten wieder erörtert werden sollen.

"Es bleibt dramatisch"

Welche Folgen ein Ablehnen der Reformliste durch das griechische Parlament für die Lage vor Ort hätte, ist nicht absehbar. "Es ging lediglich um den Einstieg in Gespräche", warnt Hinrich Stechmann, Vorstandsmitglied des Förder- und Freundeskreises Elliniko, der die gleichnamige soziale Arztpraxis in Athen betreibt.

Er bleibt skeptisch: "In Athen wird es sicher eng, die Syriza-Fraktion wird Tsipras meines Erachtens relativ geschlossen die Zustimmung verweigern." Sollte es für die Reformen keine Mehrheit im Parlament geben, stehen Neuwahlen im Raum.

"Es bleibt ein dramatischer Weg diese Woche", meint Hinrich. "Bis es zum Geldfluss und damit auch zu einer Verbesserung des staatlichen Gesundheitssektors kommt, wird in jedem Fall noch Zeit vergehen und wir sind mit unserem Engagement weiter extrem in der Pflicht."

Treptow appelliert an die Politik: "Man sollte eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung anstreben, die sowohl die Schwächeren unterstützt als auch die humanitäre Not bekämpft, statt daraus eine humanitäre Katastrophe entstehen zu lassen."

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Fachsymposium Onkologie

Behörden und Industrie blicken zuversichtlich aufs EU-HTA

Kooperation | In Kooperation mit: Pfizer Pharma GmbH und MSD Sharp & Dohme GmbH

Zentraler Impfstoffeinkauf der EU

Prozess um SMS von der Leyens mit Pfizer geht in die heiße Phase

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Steuern

Pflicht zur E-Rechnung – was auf Ärzte jetzt zukommt

Pflegereport der BARMER

Deutschland hängt in der Pflegespirale fest

Lesetipps
Viele Fragezeichen

© farland9 / stock.adobe.com

LeserInnen-Umfrage

Wenn Kollegen zu Patienten werden – Ihre Meinung zählt!

Ein Mann hat Kopfweh und fasst sich mit beiden Händen an die Schläfen.

© Damir Khabirov / stock.adobe.com

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln