Niedersachsen

Häusliche Gewalt: Netzwerk hilft Opfern

Professionelle Beweise für Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt sichern – das ist das Ziel des Netzwerks "Pro Beweis": In 26 niedersächsischen Städten ist die Einrichtung inzwischen präsent. Die Nachfrage steigt, das Konzept kommt bei Betroffenen an.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Häusliche Gewalt: 16500 Fälle weist die Kriminalstatistik 2015 allein für Niedersachsen aus.

Häusliche Gewalt: 16500 Fälle weist die Kriminalstatistik 2015 allein für Niedersachsen aus.

© Petro Feketa / stock.adobe.de

HANNOVER. Das Netzwerk "Pro Beweis" an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat in den fünf Jahren seines Bestehens insgesamt in 560 Fällen häuslicher Gewalt in Niedersachsen gerichtsverwertbare Befunde gesichert. Das hat die MHH mitgeteilt.

Inzwischen ist das Netzwerk zur professionellen Beweissicherung für Opfer von häuslicher und/oder sexueller Gewalt in 26 Städten Niedersachsens vertreten. Das Besondere: "Pro Beweis" untersucht und sichert die Spuren losgelöst von einer Anzeige bei der Polizei. Ein prozessrelevantes Gutachten kann nach späterer Anzeige durch die Opfer so bei Bedarf auch noch mehrere Jahre nach der Tat abgerufen werden.

"Die Meldungen kommen unregelmäßig, aber mit steigendem Trend", sagt Stefanie Hoyer, Ärztin bei "Pro Beweis". Im Jahr 2012 waren es noch 26 Fälle, im Jahr 2014 bereits 124 und 2016 waren es 139 Fälle – zwar immer mehr, aber doch wenig, wenn man bedenkt, dass "einer europaweiten Studie zufolge 22 Prozent aller Frauen in Deutschland einmal oder mehrmals im Leben körperliche oder sexuelle Gewalt erleiden", wie es hieß.

Ältere Frauen halten sich zurück

Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasste für das Jahr 2015 allein in Niedersachsen rund 16.500 Fälle häuslicher Gewalt. 80 Prozent der Opfer waren Frauen. Nach Angaben Hoyers sind die meisten Frauen, die sich bei "Pro Beweis" gemeldet haben, junge Frauen zwischen 18 und 20 Jahren. Meistens wandten sie sich selbstständig an "Pro Beweis".

Ältere Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, sind offensichtlich zurückhaltender. "Vielen Betroffenen fällt es schwer, direkt nach erlebter häuslicher oder sexueller Gewalt eine Anzeige zu erstatten. Für ein mögliches späteres Gerichtsverfahren ist es jedoch sehr wichtig, sofort nach der Tat fachgerecht Spuren wie Würgemale, Hämatome oder Sperma zu sichern, medizinische Befunde zu erheben und alles zu dokumentieren", erklärt Professor Dr. Anette Debertin vom MHH-Institut für Rechtsmedizin, die das Projekt leitet. "In unseren Untersuchungsstellen haben die Opfer die Gelegenheit, Beweise zeitnah, gerichtsfest, kostenlos und vertraulich sichern zu lassen."

Gutachten müssen gerichtsfest sein

Das Angebot richtet sich gezielt an Betroffene, die noch keine Anzeige erstattet haben. Entschließen sich die Betroffenen zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Anzeige, erstellen die Rechtsmedizinerinnen bei Bedarf im Auftrag der Polizei ein gerichtsfestes Gutachten. Wie oft es aber aufgrund der Gewalterfahrungen tatsächlich zu Anzeigen kommt, weiß auch Hoyer nicht. "Wir würden das gerne weiter mit nachvollziehen", sagt die Ärztin. Zwar werden die Dokumentationen der MHH von Anwälten oder der Polizei abgerufen. "Aber die Zahl der Fälle, in denen wir gebeten werden, mit einem Gutachten Stellung zu beziehen, bewegt sich im einstelligen Prozentbereich", sagt Hoyer. "Und erst ein Gutachten ist gerichtsfest."

"Dass die Betroffenen eine Anzeige erstatten, ist nicht das oberste Ziel des Projekts", sagt indessen Anette Debertin. "Für die meisten Opfer ist es einfach wichtig, die Tat dokumentiert und die Beweise gesichert zu wissen. Diese Sicherheit ist oft eine gute Grundlage für eine Entscheidung." Darüber hinaus finden viele Betroffene über "Pro Beweis" den Weg zu anderen Hilfseinrichtungen und Beratungsstellen, die sie unterstützen können.

Das Netzwerk "Pro Beweis" wird vom niedersächsischen Sozialministerium mit 270.000 Euro pro Jahr gefördert. Es ist mit seinem Zentrum an der Medizinischen Hochschule Hannover inzwischen in landesweit 30 Untersuchungsstätten präsent.

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