Zytostatika
Harte Kontroverse zwischen Ärzten und Kassen
Ärzte und Apotheker fordern ein Ende derAusschreibungen für Zytostatika. Die Krankenkassen halten dagegen und reklamieren Verbesserungen der onkologischen Versorgung für sich.
Veröffentlicht:BERLIN. Ärzte und Apotheker sorgen sich um die onkologische Versorgung in Deutschland. Grund sind die Ausschreibungen einiger Krankenkassen für patientenindividuell zubereitete Chemotherapien, die Zytostatika.
Diese stellten eine Gefährdung der Therapiehoheit der Ärzte dar, haben am Mittwoch in Berlin acht Fachgesellschaften gemeinsam verdeutlicht. Es komme zu Terminproblemen und Lieferengpässen.
Der Markt der Zytostatika und parenteralen Lösungen ist um die drei Milliarden Euro im Jahr schwer. Über die Ausschreibungen soll an dieser Stelle gespart werden. Es wundert daher nicht, dass der AOK-Bundesverband in einer ersten Reaktion schweres Geschütz auffuhr.
"Kompletter Unsinn"
Es sei "kompletter Unsinn", dass durch Ausschreibungen Chaos entstehe oder die Versorgungsqualität sinke, betonte der Chef des AOK-Bundesverbands Martin Litsch. Ärzte und Apotheker nutzten gezielte Desinformation, um auf dem Rücken der Patienten gezielt Ängste zu schüren. Der praktische Nutzen für die Patienten bestehe in einer Verkürzung der Lieferwege.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz haben Ärzte- und Apothekerverbände sowie wissenschaftliche Fachverbände wie die Deutsche Krebsgesellschaft nun politische Konsequenzen gefordert.
Der Gesetzgeber solle die noch laufenden Verfahren der Arzneimittelgesetzgebung nutzen, um die Ausschreibungen wieder zu beenden. Der Paragraf, der den Kassen entsprechende Verträge erlaube, solle aus dem Sozialgesetzbuch gestrichen werden.
Schwere Vorwürfe erhob der Vertreter des Berufsverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen, Professor Stephan Schmitz. Patienten der niedergelassenen Onkologen würden von einer AOK angeschrieben oder angerufen. Die Kasse lasse Details zu Inhalt und Ablauf der onkologischen Behandlungen erfragen.
Rote Linie noch nicht überschritten?
"Diese rote Linie ist meiner Ansicht nach bisher im Gesundheitssystem noch nicht überschritten worden", empörte sich Schmitz. Die Kasse versuche das Vertrauensverhältnis zwischen Art und Patient zu stören. Eine solche Grenzüberschreitung sei nicht zu akzeptieren.
Bislang haben die AOKs in Rheinland-Hamburg, in Hessen und in Berlin zum Instrument der Ausschreibung gegriffen, teilweise schon seit Jahren. Ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts hat die Praxis der Ausschreibung bestätigt.
Es gebe kein freies Apothekenwahlrecht für Versicherte bei der Versorgung mit Zytostatika, urteilten die Kasseler Sozialrichter. Daraufhin haben auch die Ersatz- und Betriebskrankenkassen mit Ausschreibungen begonnen beziehungsweise sind solche in Planung.
Die Ausschreibungen gelten als nachteilig vor allem für Patienten, bei denen eine Chemotherapie von der Tagesform abhängig ist. Sie erhalten vom Arzt üblicherweise eine Ad hoc-Therapie während der Konsultation verschrieben.
Diese Verfahren seien in der Zusammenarbeit von Ärzten und Apotheken gut erprobt. Würden diese Kooperationen durch die Ausschreibungen gesprengt, sei die kurzfristig angesetzte Applikation nicht mehr ohne weiteres möglich, warnen Ärzte. "Ich halte es für skandalös, wenn Patienten, die existenziell auf ein Medikament angewiesen sind, den ganzen Tag lang auf ein Zytostatikum warten müssen", sagte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Ärzte Professor Wolf-Dieter Ludwig am Mittwoch in Berlin.
Unumstritten sind die Ausschreibungen aber auch auf Kassenseite nicht. Er sei kein großer Fan von Ausschreibungen für Zytostatika, sagte der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse Dr. Jens Baas am Mittwoch in Berlin. Die Ausschreibungen seien jedoch das einzige Instrument, um an das Preisgefüge von Zytostatika heranzukommen. (Mitarbeit fst)