Hausarztzentrierte Versorgung

Hausärzte-Chef warnt vor Rückschritt ins letzte Jahrhundert

Bloß kein Zurück bei der hausarztzentrierten Versorgung: Hausärzteverbandschef Ulrich Weigeldt wehrt sich gegen Vorschläge aus der Barmer GEK, das Lotsensystem wieder im Kollektivvertrag unterzubringen.

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Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes.

Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes.

© Hausärzteverband

BERLIN. Die Strukturen der hausarztzentrierten Versorgung zu erhalten, hat der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, gefordert. Die gegenwärtigen Selektivverträge zu beenden und die hausarztzentrierte Versorgung wieder in den Kollektivvertrag einzugliedern, träfe Ärzte und Patienten gleichermaßen.

"Diese Überlegungen würden die über Jahre gegen Widerstände aus dem Altsystem erkämpfte Umsetzung einer hausarztzentrierten Versorgung völlig konterkarieren und negativ in mittlerweile etablierte und funktionierende Strukturen eingreifen", sagte Weigeldt am Montag.

Weigeldt reagierte auf einen Vorstoß aus der Barmer GEK, die hausarztzentrierte Versorgung als wichtigen Bestandteil der Regelversorgung wieder kollektivvertraglich zu regeln. Der Vorstandsvorsitzende der größten Krankenkasse in Deutschland, Dr. Christoph Straub, hatte beim Barmer GEK Forum in Deggendorf zusätzlich eine bessere Vernetzung von ambulantem und stationären Sektor gefordert.

So ließen sich viele der heute beklagten Schwächen in der Gesundheitsversorgung beseitigen. Gerade die großen, bundesweit geöffneten Kassen hatten seit dem Start der HzV ab dem Jahr 2004 auf Schwierigkeiten verwiesen, regional unterschiedlich ausgestattete Verträge zu schließen und zu pflegen.

Rückkehr in Kollektivvertrag wäre ein Rückschritt

Weigeldt sieht dies naturgemäß anders. Eine Rückkehr der hausarztzentrierten Versorgung unter das Dach der Kassenärztlichen Vereinigungen wäre ein Rückschritt ins letzte Versorgungsjahrhundert und anschließender Stillstand, sagte Weigeldt. Damit ließen sich die Probleme im Gesundheitswesen nicht überwinden.

Mit dem 1. Januar 2004 hatte der Gesetzgeber die Krankenkassen verpflichtet, binnen fünf Jahren flächendeckend Hausarztverträge einzuführen. Dies sei geschehen, so Weigeldt, um eine bessere Verzahnung der Versorgungssektoren zu ermöglichen, gerade weil dies im Kollektivvertrag nicht passiert war.

Tatsächlich lässt die vollständige Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe noch auf sich warten. Nach Auskunft eines Sprechers des Deutschen Hausärzteverbandes gibt es nach wie vor kein flächendeckendes Angebot an hausarztzentrierter Versorgung.

Die Schwerpunkte lägen in Baden-Württemberg und Bayern. Neu hinzugekommen seien nun Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Die Techniker Krankenkasse unterhalte das einzige bundesweite Angebot. Insgesamt seien derzeit rund drei Millionen Versicherte eingeschrieben. Vor zwei Jahren seien es erst knapp die Hälfte gewesen. (af)

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Kommentare
Dr. Karlheinz Bayer 30.07.201314:41 Uhr

Rück- oder Fortschritt ins letzte Jahrhundert?


Es war einmal in einer fernen Zeit im letzten Jahrhundert, als Norbert Blüm und Horst Seehofer noch Hinterbänkler waren, als es noch eine E-GO gab mit den zwei Ziffern 1 und 65, keine DMP, keine HzV, stattdessen aber ein kollegiales Miteinander von praktischen Ärzten und Fachärzten.
Als in Deutschkand noch Kuren möglich waren und Brillenrezepte und keiner es für einen Fortschritt hielt, wenn die Zahl der Krankmeldungen in den Keller ging, sondern nur für einen Ausdruck von weniger Krankheitsfällen.

Damals gab es Kassenarztsitze und eine deutlich sichtbare Unterteilung zwischen AOK-Patienten, Angestellten und Privatpatienten. War das unsozial? Privatpatienten zahlten immerhin ihre Privatrechnungen, Privatkassen schimpften nicht, daß sie die Kosten der GKV mitstemmen mußten. Die AOK sorgte sich noch um ihre Arbeiter und nicht um ihre AOK-eigenen Programme, und die Ersatzkassen waren in allem ein Tick großzügiger - statt daß sie Milliarden auf der hohen Kante liegen ließen.

Die KV bestand aus vielen Männern (und leider wenigen Frauen), die sich noch und in erster Linie um die Probleme ihrer Kolleginnen und Kollegen kümmerte und diese Probleme sogar aus der Welt schaffte, wenn es notwendig war. In Baden-Württemberg gab es in jedem Bezirk solche KVen, und in den allen Bezirken auch noch lokale Geschäftsstellen. Man leistete dort Dienste.

Es war eine Zeit, in welcher der Begriff Budget noch als Geld zum Ausgeben galt und der Begriff Deckelung noch nicht erfunden war. Der MDK hieß noch Vertrauensarzt und genoß allerdinjgs so wenig Vertrauen, wie er heute als DFiener angesehen wird, allenfalls als Diener für die Kassen. Krankengymnastik und Massagen konnte man noch auf einfache Rezepte schreiben, und auf dieselbe Art von Rezepten bekam man auch Salben und Hustensäfte. Es gab Kuren! Ambulante und stationäre, und die wurden auch in Anspruch genommen.

Damals gab es auch schon Verbände, solche wie den Hartmannbund oder den Virchowbund, aber keiner war so von sich selbst überzeugt, sich den Verband der Hausärzte schlechthin zu nennen, so als gäbe es nur einen Einheitsverband für unsere Berufsgruppe.

Flächendeckend war damals nur die ärztliche Versorgung, aber kein auf Hausärzte zentriertes System, das in den Köpfen der Schmidts und Lauterbachs entstanden ist, und in den Mäulern der Weigeldts dieser Welt weiter transportiert wird. Es gab keinen Krach zwischen KVen, die noch zur KV-Idee stehen einerseits und den KVen, die sich für die Selbstsabschaffung stark machen. Die KBV war noch eine Dachorganisation und ihre Vorsitzenden empfanden diesen Vorsitz als Ehrenamt.

Wie sagt Weigeldt?
Die Probleme im Gesundheitswesen ließen sich mit den alten Methoden nicht lösen? Was Weigeldt nicht sagt ist, daß es sich um Probleme handelt, die erst mit den neuen Besen kamen. Folglich hat er recht. Aber ehrlich, wenn ich tauschen könnte, das heutige System mit dem vor noch nicht einmal 30 Jahren ... ich ertappe mich bei demSatz, den ich eigentlich nicht leiden kann, daß früher doch nicht alles schlechter war. Aber könnte man Weigeldts Idee nicht doch aufgreifen und den Hebel herumreißen? Nur mal so? Vielleicht würde dann morgen nicht alles noch einmal schlechter werden.

Dr.Karlheinz Bayer

Carl Scherer 30.07.201310:04 Uhr

Wieder ein Versuch der Ersatzkassen,ds HZV-Joch abzuwerfen

Ich bin gespannt , ob sie es schaffen werden , evtl. erst nach der Wahl den lästigen §73b loszuwerden . Zunächst einmal verweigert der Ersatzkassenverband standhaft und rechtswidrig die Endzahlungen des HZV in NRW seit 4/2012 ! , vielleicht mit dem Ziel, nach der Wahl gar nichts mehr auszuzahlen und die Verträge in den Sand zu setzen.
In Bayern hingegen ist schon alles kontinuierlich bezahlt bis dato.

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