DEGAM-Strategiepapier
Hausärzte sind Multiplikatoren der Corona-Politik
Die Arztpraxen sind die Orte der Aufklärung über die Coronavirus-Pandemie. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) stellt in einem Strategiepapier klare Forderungen an die Politik.
Veröffentlicht:Berlin. Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 wird mit dem Beginn der Impfungen nicht unmittelbar verschwinden. Die zuweilen hektisch wirkenden Reaktionen von Bund und Ländern auf die Pandemie lassen daher die Rufe nach fachlich fundiertem Langzeitmanagement der Corona-Krise immer lauter werden.
Jetzt hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) eine solche Strategie vorgelegt. Sie rückt die ambulante Versorgung in den Mittelpunkt. Der Grund: Die ambulante Versorgung erfülle eine Schutzfunktion für die Krankenhäuser, weil in den Hausarztpraxen ein Großteil der COVID-19-Patienten abschließend behandelt werde.
Als erste Ansprechpartner seien Hausärztinnen und Hausärzte zudem mit den Auswirkungen der Pandemie-Beschlüsse von Bund und Ländern auf ihre Patienten konfrontiert und könnten durch sachlich-fachliche Aufklärung zur Akzeptanz der Maßnahmen beitragen.
Kernaussagen des DEGAM-Papiers:
- Geschlossene Räume, Gruppen und Gespräche sollten tunlichst vermieden werden, um die bisherigen AHA-Regeln plus Lüften und Corona-Warn-App zu verstärken. Ärzte seien an dieser Stelle Multiplikatoren, die dazu beitragen sollten, „die Umsetzungsrate dieser Basismaßnahmen zu maximieren“. Es sollten daher zum Beispiel keine „Wunschatteste“ ausgestellt werden, die als Alibi dienen könnten, die Maskenpflicht zu umgehen.
- Ärzte bekommen „erwünschte und unerwünschte“ Wirkungen kontaktreduzierender Maßnahmen auf die ihnen meist sehr lange bekannten Patienten mit. Eine klare, ausbalancierte und widerspruchsfreie Politik könne es Hausärzten erleichtern, ihre Patienten zu beraten. Daneben sei eine zentrale Aufgabe der Hausärzte im Pandemie-Langzeitmanagement, die Zuversicht ihrer Patienten aufrecht zu erhalten.
- Die Politik sollte die Hausärzte daher bevorzugt über geplante Maßnahmen informieren, am besten bevor politische Entscheidungen an die Öffentlichkeit gelangten. Dies sei erforderlich, um „scheinbare Widersprüche“ gegenüber den Patienten erklären zu können. Ein solcher ist zum Beispiel, warum Friseursalons unter Umständen geöffnet sein können, Kosmetiksalons aber nicht. Dafür bräuchten Ärzte gute Argumente, um zur „Entängstigung“ beizutragen und sozialem Rückzug entgegenzuwirken. Die Politik könne solche Informationen über die Ärztekammern, Berufsverbände und wissenschaftliche Fachgesellschaften kommunizieren und den Ärzten damit helfen „ihre edukative Funktion“ besser zu erfüllen.
- Die Aufrechterhaltung der Versorgung könne die Zuversicht der Patienten fördern. Dazu zähle auch die Aufstellung der Praxen als „sichere Orte“ durch Hygienekonzepte und strikte Trennung von COVID-19-Patienten und Patienten ohne Symptome. Es gebe ein Zuviel an Sorge vor Ansteckung, wenn zum Beispiel Menschen mit Myokardinfarkt die Versorgung hinauszögerten. Umgekehrt gebe es auch unnötiges Risikoverhalten, auf das bei der ärztlichen Konsultation eingewirkt werden könne.
- Versorgungsforschung könne helfen, „ein umfassendes Verständnis von COVID-19 unter Berücksichtigung der Primärversorgungsebene mit ihren Besonderheiten zu erlangen. Realität sei, dass Abläufe in den Praxen zum Beispiel die Bürokratie der Abrechnungsprozesse und der Informationsfluss zwischen Gesundheitsämtern und Hausarztpraxen defizitär seien.
- Interdisziplinäre Forschungsprojekte sollten zudem auf den Weg gebracht werden, um die Folgen der Lockdown-Maßnahmen, zum Beispiel Veränderungen im Lebensstil, Bewegungsmangel, Gewichtszunahme, psychische Folgen, Drogenmissbrauch und häusliche Gewalt auszuleuchten. (af)