Contra Widerspruchslösung

Hausärzte sollen Schlüsselrolle bei Organspende einnehmen

Gesetzentwurf Nummer zwei zur Reform der Organspende liegt vor. Anders als die Widerspruchslösung von Gesundheitsminister Spahn setzt der Alternativentwurf auf die aktive Entscheidung des Einzelnen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Legten am Montag alternative Vorschläge für die Reform der Organspende vor (v.l.n.r.): Christine Aschenberg-Dugnus (FDP), Karin Maag (CDU), Hilde Mattheis (SPD), Annalena Baerbock (Grüne) und Katja Kipping (Linke).

Legten am Montag alternative Vorschläge für die Reform der Organspende vor (v.l.n.r.): Christine Aschenberg-Dugnus (FDP), Karin Maag (CDU), Hilde Mattheis (SPD), Annalena Baerbock (Grüne) und Katja Kipping (Linke).

© Kay Nietfeld / dpa / picture alliance

BERLIN. Hausärzte sollen eine zentrale Rolle bei der Information der Bevölkerung über die Organspende einnehmen. Das geht aus einem Gesetzentwurf von Abgeordneten aller Fraktionen im Bundestag außer der AfD hervor. Federführend sind Karin Maag (CDU), Annalena Baerbock (Grüne), Hilde Mattheis (SPD), Katja Kipping (Linke) und Christine Aschenberg-Dugnus (FDP).

Demnach sollen Hausärzte ihre Patienten „bei Bedarf“ aktiv und gegen Vergütung alle zwei Jahre über Organ- und Gewebespende beraten. Dabei sollen sie auch über ein Online-Register informieren, das ein weiterer wichtiger Baustein der gesetzlichen Regelung werden soll.

„Den Hausärzten kommt eine Schlüsselrolle zu“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Christine Aschenberg-Dugnus bei der Vorstellung des Entwurfs am Montag in Berlin. Ihnen schenkten die Menschen Vertrauen. Organ- und Gewebespenden sollten in der ärztlichen Ausbildung stärker akzentuiert werden.

Ziel: Einfache Dokumentation

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ sieht vor, dass Menschen ihre Entscheidung für oder gegen die Organspende möglichst einfach dokumentieren, im Detail ändern oder auch widerrufen können. Ein Ort dazu soll ein möglichst leicht zu handhabendes Online-Register sein, auf das im Ernstfall auch die Krankenhäuser zugreifen können sollen.

Neu ist, dass die Menschen bei der Ausstellung neuer Personaldokumente in Ämtern auf die Organspende angesprochen werden sollen. Weitere Beratung soll die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter anderem mit einem Organspendetelefon bereitstellen.

Der Gesetzentwurf stellt die Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende in den Mittelpunkt. Damit unterscheidet er sich von einem weiteren fraktionsübergreifenden Entwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Professor Karl Lauterbach.

Doppelte Widerspruchslösung

Sie stehen für eine doppelte Widerspruchslösung, bei der jeder, der nicht aktiv der Organspende widersprochen hat, als Organspender gilt. Zudem sollen im Ernstfall Angehörige befragt werden, ob der potenzielle Spender eine Haltung zur Organspende eingenommen hat.

Die Maag-/Baerbock-Gruppe wirbt für die „informierte Entscheidung“. „Uns alle eint der Gedanke, dass die Organspende eine bewusste und freiwillige Entscheidung sein soll“, so die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion Karin Maag dazu am Montag in Berlin. Eine Widerspruchslösung, wie sie der Gesundheitsminister vorschlage, sei mit dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen nicht vereinbar.

„Mit unserem Angebot können sich Menschen aktiv entscheiden. Das macht den Charakter einer Spende aus“, sagte Baerbock. Die Linken-Vorsitzende, Katja Kipping griff den Ansatz Spahns an: „Wir wollen, dass sich viele für ein Ja entscheiden. Spahn will, dass sich wenige für ein Nein entscheiden.“

Mangelndes Vertrauen in die Institutionen hat der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz Eugen Brych für die schwach ausgeprägte Spendenbereitschaft ausgemacht. Ein Ausweg könne sein, das Transplantationssystem in staatliche Hände zu legen. In Deutschland gilt die Entscheidungslösung. Organe dürfen nur entnommen werden, wenn Spender zu Lebzeiten zugestimmt haben.

Der Vize-Chef der SPD im Bundestag, Karl Lauterbach, hält nichts von dem neuen Vorschlag einer Gruppe von Abgeordneten zur Reform der Organspende. Damit würde sich die Situation im Vergleich zur geltenden Regelung nicht wesentlich verbessern, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ am Dienstag. Die Zahl der Spender würde durch die vorgeschlagene Zustimmungslösung zwar wohl steigen, aber nicht so stark wie nötig.

 „Derzeit zeigen sich rund 86 Prozent der Menschen in Umfragen bereit für eine Organspende, aber nur ein Drittel hat auch einen Spenderausweis. Diese riesige Lücke wird dieses Modell nie schließen können“, kritisierte er.

Lauterbach sagte zudem, das vorgeschlagene Verfahren bei der Ausweis-Beantragung sei unpassend. „Behörden sind nicht der richtige Ort, um über solche existenziellen Fragen zu entscheiden. Die Frage, sich zu entscheiden, kommt zur Unzeit. Wer sein Portemonnaie mit Ausweispapieren verloren hat, denkt über vieles nach, aber nicht über Organspende“.

Zeitplan zur Organspende

  • Beide bislang bekannten Gesetzentwürfe zur Organspende sollen noch im Juni in den Bundestag eingebracht werden.
  • Entschieden werden könnte dann im Herbst.
  • Bereits in Kraft ist ein neues Gesetz, das die Identifikation potenzieller Spender erleichtern soll und den Kliniken die finanziellen Risiken der Organentnahme nimmt.
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