Netzwerk "Pro Beweis"

Hilfe für Opfer sexueller Gewalt

Viele Frauen und Männer, die Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt geworden sind, scheuen sich, Strafanzeige zu erstatten. Spuren gehen so verloren. Das Netzwerk "ProBeweis" verbindet primäre Hilfe mit forensischer Beweissicherung.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Das Opfer schweigt, Beweise für eine Straftat gehen verloren. Ein niedersächsisches Projekt will dies verhindern.

Das Opfer schweigt, Beweise für eine Straftat gehen verloren. Ein niedersächsisches Projekt will dies verhindern.

© detailblick/Fotolia.com

HANNOVER. Das "Netzwerk ProBeweis" der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hilft Opfern häuslicher Gewalt und Sexualstraftaten.

Den betroffenen Frauen und Männern können in Opferambulanzen für eine eventuelle spätere Beweisführung Verletzungen dokumentieren und Spuren sichern lassen - ohne unmittelbar nach der Tat eine Strafanzeige erstatten zu müssen.

Gestartet ist das Projekt am 1. Juni an zwei Standorten, in Hannover und in Oldenburg. "Inzwischen befinden sich fünf weitere Kliniken im Training zur Projektteilnahme", sagt Professor Michael Klintschar, Leiter der MHH-Rechtsmedizin, der "Ärzte Zeitung".

Im Herbst sollen Nordheim, Meppen, Vechta und eventuell Wolfsburg und Delmenhorst ins Netzwerk eingebunden werden.

Rechtsmediziner knüpfen ein Hilfsnetz für Opfer

"Wir wollen ein Netz knüpfen, das so dicht ist, dass jedes Opfer in Niedersachsen nicht mehr als 100 Kilometer von einer Untersuchungsstelle entfernt wohnt", sagt Klintschar. Dafür möchten die Rechtsmediziner landesweit mindestens zehn Partnerkliniken gewinnen, die über eine Notfallambulanz/Chirurgie und eine Gynäkologie verfügen.

Alle Anlaufstellen sollen bei der forensischen Untersuchung nach demselben Standard vorgehen und mit einheitlichen, speziell entwickelten Dokumentationsbögen und Untersuchungskits arbeiten. In Trainings lernen die Ärzte, wie Beweise und Spuren gerichtsverwertbar gesichert werden, hieß es.

Seit dem 1. Juni wurden bereits neun Frauen betreut, berichtet Klintschar. "Insgesamt rechnen wir mit rund 100 Frauen im Jahr, die zu uns kommen." Bisher gibt es in Niedersachsen keine entsprechenden Anlaufstellen für Opfer von Gewaltstraftaten.

Deshalb soll ihnen bei ProBeweis schon vor der Erstattung einer Strafanzeige zur Abklärung eine schnelle spezifische ärztliche Untersuchung, Dokumentation und Beweissicherung ermöglicht werden.

Denn sollte sich eine Frau erst nach einiger Zeit für eine Strafanzeige entscheiden, wären mögliche gerichtsverwertbare Beweismittel verloren, hieß es. Mit der verfahrensunabhängigen Beweissicherung werden mögliche Tatspuren standardisiert dokumentiert und gesichert. Hierzu werden die Betroffenen körperlich untersucht und Fotos von Spuren gemacht.

Falls notwendig werden Abstriche sowie Urin- und Blutproben genommen, erklärt der Rechtsmediziner. "Die Beweise werden zum Teil bis zu 20 Jahren aufbewahrt."

Eine Kollision mit dem Legalitätsprinzip, das das Verfolgen jeder Straftat gebietet, die den Ermittlungsbehörden bekannt wird, sei nicht zu befürchten, erklärt Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU). "Durch das Projekt werden die Opfer angesprochen, die sich erst später zur Anzeigeerstattung entschließen. Zudem wird die Vernetzung des Projekts mit Opferhilfe und Opferberatungsstellen dabei helfen, Opfern durch Beratung den Weg zur Anzeigeerstattung zu erleichtern."

Finanzierung ist für drei Jahre gesichert

Die Frauenhäuser, Gewaltberatungsstellen und Beratungs- und Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt (BISS) haben im Jahr 2011 allein in Hannover und im Umland sowie im Landkreis Oldenburg 1049 Betroffene von häuslicher oder sexueller Gewalt gezählt.

Die Dunkelziffer schätzen die Experten höher ein. Finanziert wird das Netz vom Landesgesundheitsministerium für drei Jahre mit jeweils 270.000 Euro.

Der finanzielle Rahmen ist auch der Grund dafür, dass keine niedergelassenen Gynäkologen oder Hausärzte in die Trainings einbezogen werden und zur Anlaufstellen werden könnten, so Klintschar. "Außerdem wären die Honorare zu niedrig."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: An der Seite der Opfer

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