Prognose des Schätzerkreises
Historischer Sprung: Zusatzbeitrag wird 2025 auf durchschnittlich 2,5 Prozent steigen
Fachleute des Bundesamts für Soziale Sicherung, der Regierung und der GKV gehen von einer Finanzierungslücke von 46,7 Milliarden Euro aus. Im Schnitt steigt der Beitragssatz um 0,8 Punkte.
Veröffentlicht:Berlin. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen wird im kommenden Jahr voraussichtlich um 0,8 Punkte auf 2,5 Prozent steigen. Das geht aus der am Mittwoch veröffentlichten Prognose des Schätzerkreises hervor, der sich nach zweitägigen Beratungen auf diesen Wert geeinigt hat.
Das Gremium setzt sich aus Fachleuten des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS), dem Bundesgesundheitsministerium und dem GKV-Spitzenverband zusammen. Das Verfahren sieht eigentlich eine Abgabe der Prognose bis zum 15. Oktober eines Jahres vor. Am Abend des Dienstag hatten die Gesprächspartner allerdings längeren Gesprächsbedarf angemeldet.
Einnahmen und Ausgaben weit auseinander
Für 2025 geht der Kreis von Einnahmen in Höhe von 294,7 Milliarden sowie Ausgaben von voraussichtlich 341,4 Milliarden Euro aus. Was fehlt, müssen die Kassen über die Zusatzbeiträge aufbringen. Dafür hat der Schätzerkreis eine Erhöhung des rechnerischen durchschnittlichen Zusatzbeitrages um 0,8 Punkte auf 2,5 Prozent ermittelt. Bereits im laufenden Jahr hat sich der tatsächliche durchschnittliche Zusatzbeitrag auf aktuell 1,94 Prozent erhöht.
Der Schätzerkreis teilt mit, dass in seiner Einnahmenschätzung die gesetzlich vorgegebene Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze enthalten sei.
Die vom Schätzerkreis heute veröffentlichten Werte legt das Bundesgesundheitsministerium zugrunde, um den durchschnittlichen Zusatzbeitrag festzulegen. Der gesetzlich festgelegte späteste Termin dafür ist der 1. November eines Jahres. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) muss dem Votum des Schätzerkreises nicht zwingend folgen. In der Regel bleiben die jeweiligen Minister aber auf der Linie des Schätzerkreises.
Lauterbach setzt auf Strukturreformen
Die Prognose des Schätzerkreises zeige die Notwendigkeit der von der Bundesregierung eingeleiteten Strukturreformen, kommentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Ergebnisse. Das deutsche Gesundheitswesen sei das teuerste in Europa, weil es in vielen Bereichen nicht effizient sei. Deshalb schneide Deutschland auch bei der Lebenserwartung schlechter ab, sagte der SPD-Politiker am frühen Nachmittag.
Lauterbach nannte den stationären Sektor mit mehr als 100 Milliarden Euro als größten Kostentreiber. Bereits im ersten Halbjahr seien die Kosten dafür um acht Prozent gestiegen.
Defizit zeichnete sich früh im Jahr ab
Bereits das erste Halbjahr 2024 hatte die gesetzliche Krankenkasse mit einem Defizit von knapp 2,25 Milliarden Euro abgeschlossen. Bis Oktober haben 31 der 94 Krankenkassen unterjährig ihre individuellen Zusatzbeiträge angehoben. Tatsächlich liegt der durchschnittlich erhobene Zusatzbeitrag aktuell bei 1,94 Prozent. Einzelne Kassen erheben bereits mehr als 3,2 Prozent.
Die Krankenkassen waren bereits im Vorfeld der Schätzerkreissitzung von einem Aufschlag von 0,6 bis 0,8 Beitragssatzpunkten ausgegangen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hatte bereits am Montag einen Anstieg des Zusatzbeitrags von 1,7 auf 2,5 vorhergesagt.
Linken-Politikerin warnt vor Belastungen
Bereits im vergangenen Jahr waren aus den Rücklagen der Krankenkassen und aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds rund 4,7 Milliarden Euro zur Stabilisierung des Zusatzbeitragssatzes im Jahr 2023 entnommen worden.
Die Gesundheitspolitikerin der Linken, Kathrin Vogler, nannte die Prognose des Schätzerkreises „alarmierend“. Die Beiträge würden massiv steigen. Besonders betroffen seien Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. „Besonders bitter ist, dass diese zusätzlichen Belastungen nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung des Gesundheitssystems führen werden“, sagte Vogler. (af)