Hygieneplan gestattet Blick über die Schulter

Das Infektionsschutzgesetz ist das erste große Gesetzesvorhaben von Minister Philipp Rösler im Jahr 2011. Damit soll die Klinikhygiene verbessert und vor allem transparenter werden. Kritik folgt sofort: Vor allem Kliniken reagieren mit Unverständnis, warum sie im Kampf gegen die Keime nicht finanziell unterstützt werden.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Ein Blick über die Schulter: Ärzte können sich künftig leichter über Hygienestandards in Kliniken informieren.

Ein Blick über die Schulter: Ärzte können sich künftig leichter über Hygienestandards in Kliniken informieren.

© K-H Krauskopf, Wuppertal

BERLIN. Klinikinfektionen stehen in Deutschland immer noch auf der Tagesordnung: Jedes Jahr sterben zwischen 7500 und 15.000 Menschen an Infektionen, die im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung stehen.

Experten sind der Ansicht, dass sich 20 bis 30 Prozent der Infektionen durch die Einhaltung von Hygienemaßnahmen vermeiden ließen. "Die Betroffenen haben oft selbst keine Lobby", sagte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). Ein entsprechender Entwurf für ein Infektionsschutzgesetz (IfSG) - umgangssprachlich Klinikhygienegesetz - passierte am Mittwoch das Kabinett.

Künftig werden niedergelassene Ärzte in den Kampf gegen die Klinikkeime einbezogen. Damit soll weitestgehend ausgeschlossen werden, dass Keime in Kliniken eingeschleppt werden. Vertragsärzte sollen das Screening und die MRSA-Eradikation gesondert vergütet bekommen. In dem EBM wird dafür ab 2012 eine neue Gebührenposition aufgenommen.

Diese Pläne des Gesundheitsministeriums stoßen bei den Krankenhäusern auf wenig Gegenliebe. "So begrüßenswert die Gesetzesinitiative ist, so kritikwürdig ist im Detail, warum nur die niedergelassenen Ärzte und nicht auch die Kliniken finanziell im Kampf gegen Infektionen unterstützt werden sollen", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, der "Ärzte Zeitung".

Das sieht das BMG jedoch anders: Das geplante Gesetz sei sogar im Interesse der Krankenhäuser. Berechnungen zufolge könnten diese etwa 40 Millionen Euro durch verbesserte Hygienemaßnahmen einsparen.

Auch die Kassen wiesen die Geldforderung des DKG zurück. "Allein in diesem Jahr erhalten die Krankenhäuser 1,9 Milliarden Euro zusätzlich aus den Portemonnaies der Beitragszahler", sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, der "Ärzte Zeitung".

Darüber hinaus sollen - dem Gesetzentwurf zufolge - Länder und Selbstverwaltung künftig stärker in die Pflicht genommen werden. Sieben Länder haben bereits Krankenhaushygieneverordnungen erlassen, so das BMG. Die restlichen Bundesländer müssen jetzt folgen.

Dazu gehöre es auch, dass "die erforderliche personelle Ausstattung mit Hygienefachkräften und Krankenhaushygienikern" zu regeln, heißt es in dem Kabinettsentwurf, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt. Ziel sei es, 413 zusätzliche Hygienebeauftragte in den Kliniken und 71 Ärzten mit Hygieneaufgaben einzustellen.

Das BMG beziffert die Kosten für das zusätzliche Personal auf etwa 76 Millionen Euro. Kritiker warnen jedoch davor, dass der Gesetzentwurf den Ländern noch zu viele Schlupflöcher lasse. Außerdem sei fraglich, ob es überhaupt qualifiziertes Personal für diese Stellen geben könnte.

Ärzte und Patienten sollen sich zudem in Zukunft ein konkretes Bild von der Hygienesituation in der jeweiligen Klinik machen können. Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält dazu den Auftrag, Indikatoren zu entwickeln. Diese sollen in die Qualitätsberichte der Kliniken einfließen.

Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, die Rolle des Robert-Koch Instituts zu stärken. Ein dort angesiedleter Expertenrat soll Ärzten Empfehlungen mit allgemeinen Grundsätzen für Diagnostik und Antibiotika-Therapie erstellen. Die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention werden künftig für Ärzte verbindlich.

Kritik am Gesetzentwurf kommt vor allem aus der Opposition: Die Gesundheitsexpertin der Linken, Martina Bunge, kritisierte den Gesetzentwurf als "Krankenhaushygiene light". "Das ist - wie so oft -halbherzig und reicht angesichts von über 600.000 im Krankenhaus erworbenen Infektionen mit bis zu 100 Toten täglich nicht aus", so Bunge.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tipps für die Praxis

So entwickeln Sie Ihre Arztpraxis strategisch weiter

Lesetipps
Bald nicht nur im Test oder in Showpraxen: Auf einem Bildschirm in der E-Health-Showpraxis der KV Berlin ist eine ePA dargestellt (Archivbild). Nun soll sie bald überall zu sehen sein auf den Bildschirmen in Praxen in ganz Deutschland.

© Jens Kalaene / picture alliance / dpa

Leitartikel

Bundesweiter ePA-Roll-out: Reif für die E-Patientenakte für alle

Husten und symbolische Amplitude, die die Lautstärke darstellt.

© Michaela Illian

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung