Schleswig-Holstein

IV-Vorzeigeprojekt verunsichert Ärzte

Das Westküstenklinikum Dithmarschen soll zum IVZ ausgebaut werden. Das ist der KV Schleswig-Holstein nicht geheuer.

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BAD SEGEBERG. Das angestrebte Vorzeigeprojekt zur integrierten Versorgung in Brunsbüttel scheint vielen niedergelassenen Ärzten Angst zu machen. Das zeigte sich in der jüngsten Abgeordnetenversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Schleswig-Holstein.

Welcher Bedarf besteht, welche Fachgebiete werden tatsächlich betroffen sein, wie viele Sonderbedarfszulassungen für Klinikärzte werden erteilt? - Solche ungelösten Fragen sorgen derzeit bei fachärztlichen Praxisinhabern im Umkreis des zum Umbau vorgesehenen Westküstenklinikums (WKK) für Sorgenfalten.

Chancen und Sorgen

Dr. Axel Kloetzing, Abgeordneter aus dem Kreis Steinburg, trug die Probleme der KV in Bad Segeberg vor: "Ich sehe die Chancen, die solch ein Projekt bietet, aber auch die Sorgen, dass dies zum Einfallstor für die Klinik in die ambulante Versorgung werden könnte", sagte der Allgemeinmediziner.

Schleswig-Holsteins KV-Chefin Dr. Monika Schliffke informierte die Delegierten darüber, dass mit der WKK-Führung ein Gespräch für den Frühsommer geplant ist.

Nach derzeitigem Stand ist nicht klar, wie groß das Interesse unter Praxisinhabern ist, an der Klinik tätig zu werden und in welchem Umfang eine ambulante Tätigkeit von Klinikärzten in der ambulanten Medizin erwogen wird.

Schliffke machte deutlich, dass die von Kloetzing formulierten Bedenken ernst genommen werden, zugleich aber festzustellen sei, dass sie auf beiden Seiten bestehen: "Auf Klinikseite hat man Angst vor einer feindlichen Übernahme durch die KV", sagte sie.

Für Hausärztechef Dr. Thomas Mauer steht fest, dass die niedergelassenen Ärzte die Chance auf eine integrierte Versorgung im Raum Dithmarschen nutzen sollten. Er erinnerte die Versammlung daran, dass weiterhin viele Spezialisten ins Hamburger Umland drängen, während in Dithmarschen akuter Bedarf besteht. "Brunsbüttel müssen wir besetzen, sonst werden andere in diese Lücke stoßen", appellierte Maurer.

Geplant ist ein IVZ

Das kleine und defizitär arbeitende Westküstenklinikum im strukturschwachen Dithmarschen soll bis 2018 zum Integrierten Versorgungszentrum (IVZ) umgebaut werden, das schrittweise mehr ambulante und weniger stationäre Angebote vorhält.

Neben den schon im Haus praktizierenden Fachärzten werden wie berichtet weitere Kooperationen und Leistungen angestrebt. Ziel ist es, dass Patienten ambulant und stationär vom gleichen Arzt behandelt werden.

Auf das neue Rahmenkonzept hatten sich nach jahrelanger Debatte um einen Sicherstellungszuschlag die Krankenkassen, das WKK, der Kreis, das Land und die KV geeinigt. (di)

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 20.02.201511:56 Uhr

Die Sorge muss über den Tellerrand reichen

Die vor dem Beispiel des IVZ Dithmarschen geäußerte Sorge der KV SH und Ihrer Abgeordneten, dass die Kliniken immer mehr in die ambulante Medizin drängen und den niedergelassenen Ärzten das Wasser abgraben, ist vordergründig und verfehlt vorliegend das eigentliche Thema. Denn konstitutionell muss die vornehmste Sorge der KV die Sicherung und Verbesserung der Patientenversorgung sein und mit diesem Tenor ist das nämliche Thema zu kommunizieren, nicht mit diffusen Ängsten von fachärztlichen Praxen.

Die Versorgungssituation in einigen Landstrichen wäre niemals prekär geworden, wenn sich die niedergelassene Ärzteschaft intensiver um ihre Strukturen gekümmert hätte. Doch statt dessen hat sie – angepeitscht von Funktionären mit Trillerpfeifen – Demonstrationen organisiert, um Honorar zu sichern, das nach Ansicht der Mehrheit – man lese entsprechende Umfragen – zumindest auskömmlich war und ist.

Keines der großen gesundheitspolitischen Vorhaben stammt aus der Feder der KVen, obwohl es an gewichtigen mahnenden Stimmen nicht gefehlt hat, das der Reformunlust die Fremdbestimmung durch den Gesetzgeber folgen werde. So sind die zahlreichen Gesetze der letzten Jahrzehnte entstanden, die mit ihrer bürokratischen Arztferne den Alltag belasten.

Selbst die dringend notwendige Reform des ambulanten Notdienstes zog sich – und zieht sich mancherorts noch - unter nicht geringen berufspolitischen Querelen über Jahre hin und erscheint, hört man Kliniken, die eigene nicht in den KV-Notdienst integrierte Ambulanzen unterhalten, nur begrenzt gelungen.

Zwar war beispielweise SH Vorreiter bei der Etablierung von Netzen, doch blieben diese vielfach in guten Vor- und Ansätzen stecken.
Gegen eine flächendeckende, straff organisierte Vernetzung der ambulanten Versorgung mit netzeigenen MVZs und Zweigpraxen, hätte es die Versorgungsengpässe in „strukturschwachen Gebieten“ und das Eindringen von konzerngesteuerten MVZs in den Städten, sowie eine Diskussion wie um das IVZ Dithmarschen in dieser Form nicht gegeben.

Die Sorge der KVen muss neben der Aufarbeitung von Strukturproblemen noch in eine andere Richtung gehen. Zunehmend findet ein "Sponsoring" von Arztsitzen durch Gemeinden im ländlichen Raum statt, neuerdings sogar in Städten (Wolfsburg), dem die KVen mit klammheimlicher Freude über die Schonung des eigenen Etats zusehen und sich in einer Position der Stärke wähnen, die ein vermeintlicher Ärztemangel erzeugt, der in Wahrheit nur ein Verteilungsmangel ist.

Es wird nicht lange dauern, und interessierte Gemeinden finden einen Weg, ihre eigenen MVZs mit angestellten Ärzten zu gründen. Notfalls muss der Gesetzgeber etwas nachhelfen.
Diese MVZs - und ggfls IVZs - saugen dann nicht nur überproportional Honorar ab, sondern haben auch Zulauf von der zunehmenden Zahl der jungen Kollegen, die geregelte Arbeitszeiten wünschen und das Investitionsrisiko einer eigenen Praxis scheuen.
Etablieren sich entsprechende Modelle in wachsender Zahl, haben es Freiberufler zunehmend schwer, einmal einen Nachfolger zu finden. Bei einem gewissen Verhältnis von freiberuflichen Arztsitzen zu angestellten Beschäftigungsverhältnissen kippt das ganze freiberufliche System zugunsten des Angestelltendaseins.
Dies sollte - neben der der prioritären Verbesserung der Versorgung - die eigentliche Sorge der KVen und ihrer Funktionäre sein. Viel Zeit bleibt nicht mehr.

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