Immer mehr Studenten nehmen Antidepressiva
Der Druck auf junge Menschen nimmt zu. Vor allem Studierende sehen sich wachsenden Anforderungen ausgesetzt. Nach Angaben der TK werden Hochschülern immer häufiger Antidepressiva verschrieben.
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Depressiver Student: Prüfungsängste und Leistungsdruck machen den Hochschülern zu schaffen.
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BERLIN. Hausarbeiten, Referate, Prüfungen - der Druck an deutschen Hochschulen nimmt zu. Und bei den Studenten liegen die Nerven blank.
Nach Angaben des aktuellen Gesundheitsreports der Techniker Krankenkasse (TK) entfällt der größte Anteil der an Hochschüler verschriebenen Medikamente auf Präparate zur Behandlung des Nervensystems. In den letzten vier Jahren verzeichnete die TK in dieser Arzneimittelgruppe einen Anstieg des Volumens von 54 Prozent.
Ärzte verschreiben häufiger Medikamente
"Aber nicht nur das Arzneimittelvolumen, sondern auch der Anteil der medikamentös behandelten Studierenden ist gestiegen", betonte TK-Chef Norbert Klusen. Zudem verschrieben Ärzte häufiger Medikamente zur Behandlung von depressiven Hochschülern.
"Der mit Antidepressiva behandelte Anteil der Studierenden stieg seit 2006 um mehr als 40 Prozent", sagte Dr. Thomas Grobe vom IGES-Institut in Hannover.
Der Psychologe Heiko Schulz von der TK sieht den sogenannten Bolognaprozess als ursächlich für diese Entwicklung. Gemeint ist damit die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse, die die Rahmenbedingungen für Studierende erheblich verändert hätten.
"Der Karrieredruck hat für die jungen Menschen deutlich zugenommen", so Schulz. Es würden außer einem guten Studienabschluss auch Auslandserfahrung und Praktika erwartet. Die Prüfungsängste der Studierenden seien dadurch gestiegen.
Studenten bekommen mehr Psychopharmaka als erwerbstätige Altersgenossen
Außer den Arzneimitteldaten hat die TK auch die Diagnosedaten von etwa 135.000 bei der TK eigenständig versicherten Studierenden ausgewertet.
Demnach erhalten Studierende deutlich mehr Psychopharmaka als ihre erwerbstätigen Altersgenossen. In beiden Gruppen wurden aber insgesamt etwa gleich häufig psychische Störungen diagnostiziert.
Bei knapp 30 Prozent der jungen Frauen zwischen 20 und 34 Jahren sei mindestens einmal eine psychische Diagnose gestellt worden, so Grobe. Junge Männer seien mit einem Anteil von 13,4 Prozent bei den Studentenund 12,5 Prozent bei den Beschäftigten deutlich seltener betroffen.
Klusen: Gedanken machen, wo Grenze zwischen gesund und krank gezogen wird

Fragt nach den Grenzen von gesund und krank: Norbert Klusen, Vorstandschef der Techniker Krankenkasse.
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Nach Ansicht von TK-Chef Klusen ist dies auch ein "Etikettierungsproblem": "Wenn drei von zehn jungen Frauen im Jahr eine psychische Diagnose gestellt bekommen, muss man sich auch Gedanken darüber machen, wo die Grenzen zwischen gesund und krank gezogen wird."
Experten warnen hingegen seit Jahren davor, dass psychische Erkrankungen zunehmen. Diese müssten rechtzeitig erkannt und behandelt werden, damit sie nicht chronifizieren.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Kosten durch psychische Erkrankungen zwischen 1993 und 2008 von 19,2 auf 28,7 Milliarden Euro gestiegen (wir berichteten).