Versorgung psychisch Kranker
Impuls des Gesetzgebers ist nötig
Die Kooperation von Psychotherapeuten und neurologisch-psychiatrisch tätigen Fachärzten muss besser werden. Doch eine Neustrukturierung sollte am besten vom Gesetzgeber angestoßen werden.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Psychotherapeuten und Neurologen/Psychiater sind zu mehr Kooperation verdammt - allein schon deshalb, um die knappen Behandlungskapazitäten effizienter als bisher zu nutzen. Dazu aber ist ein Impuls aus der Politik nötig.
Davon zeigten sich die Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV), Barbara Lubisch, und der Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Nervenärzte (BVDN), Dr. Frank Bergmann, bei einem Redaktionsgespräch der "Ärzte Zeitung" überzeugt.
Die Zusammenarbeit mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen klappe projekt- und patientenbezogen immer besser, berichtet Lubisch.
Aber in der Selbstverwaltung träten immer wieder Spannungen auf, die sich alten "historischen" Konflikten verdankten, so die DPtV-Vorsitzende. "Konflikte waren programmiert", resümiert auch Bergmann.
Denn mit der Integration der Psychotherapeuten ins KV-System im Jahr 1999 sei nur ein Teil der Gelder, die die Kassen zuvor gezahlt haben, ins System gekommen.
Es liegt noch vieles im Argen
Entschärft worden ist die Situation erst, seit antragspflichtige Leistungen außerhalb der Morbi-Vergütung bezahlt werden. "Jetzt beginnen wir erst, uns fachlich intensiver auseinanderzusetzen über den Versorgungsauftrag", sagt der Berufsverbandsvorsitzende.
Und hier liegt vieles im Argen, berichten beide. "Wenn ich abklären lassen will, ob eine Medikation nötig ist, bedeutet das Wartezeiten von sechs bis acht Wochen", klagt Lubisch.
Den Mangel an Kooperation diagnostiziert - aus anderem Blickwinkel - auch Bergmann: "Im schlimmsten Fall verordnet der Arzt Medikamente, und der Psychotherapeut diskutiert mit dem Patienten anschließend über deren Absetzung. Das geht gar nicht."
Die Strukturen in der ambulanten Versorgung seien auf Einzelarbeit hin angelegt, resümiert Lubisch: "Es gibt bisher keinerlei Vergütung für Teamarbeit und Kooperationen."
Aus Sicht von Bergmann ist die bisherige Betrachtung der Versorgungsstrukturen "anbieterbezogen, nicht überwiegend inhaltlich orientiert" gewesen.
Bergmanns Vorwurf an Politik und Selbstverwaltung lautet: Alle seien bestrebt gewesen, das hierarchische Delegationsverfahren abzuschaffen.
Mehr Kooperation "alternativlos"
Zugleich habe der Kardinalfehler darin bestanden, dass keine Anstrengungen unternommen worden seien, die Delegation durch andere Kooperationsstrukturen zu ersetzen. Mehr Kooperation sei daher "alternativlos".
Ein neuer Integrationsvertrag stellt aus Sicht von Lubisch keine Lösung für diese Probleme dar. Man müsse bei der Regelversorgung ansetzen, fordert sie. Es sei richtig, dass KVen "schwerfällig" sind, "aber ich stehe zur Idee der kollektivvertraglichen Versorgung".
Bergmann zeigt sich skeptisch, dass die Kraft zur Veränderung allein aus der Selbstverwaltung kommen könne. Diese benötige einen politischen Auftrag, die Versorgung neu zu strukturieren: "Ohne politischen Rückenwind wird es nicht gehen", warnt er.
Und so könnte aus Bergmanns Sicht der Auftrag des Gesetzgebers lauten: "Die Selbstverwaltung wird beauftragt, sektorenübergreifende, interdisziplinäre Konzepte für neurologische und psychische Erkrankungen zu erarbeiten."
Bei all der Bereitschaft zur Kooperation bleibe die Vergütung der Psychotherapeuten ein Problem, betont Lubisch - mit Folgen auch für die Behandlungskapazitäten.
Angestellte könnten in den Praxen nur für wenige Stunden beschäftigt werden, zudem suchten sich viele ihrer Kollegen Verdienstmöglichkeiten jenseits der GKV. Auch nehme die Zahl der halben Versorgungsaufträge zu - bundesweit betrage ihr Anteil bereits 25 Prozent.