In der Methadon-Substitution ist der illegale Beikonsum fast die Regel
Obwohl für die Substitutionsbehandlung viele Gesetze, Regeln und Vorschriften gelten, sind Methadon und andere Substitutionsmittel in der Drogentherapie in den vergangenen Jahren immer häufiger selbst zu Rauschmitteln geworden.
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Subutex, Buprenorphin, nicht-verschriebene Substitutionsmedikamente: Die Missbrauchsquote bei Substitutionsmitteln gilt als hoch.
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Auf dem Schwarzmarkt sind die Ersatzstoffe inzwischen weit verbreitet. Das zeigt eine neue Studie des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg, die kürzlich beim Kongress für Suchtmedizin in München vorgestellt wurde.
Die Substitution opiatabhängiger Menschen ist in Deutschland seit langem fester Bestandteil der suchtmedizinischen Versorgung. Ziel einer kontrollierten Abgabe der Ersatzstoffe unter ärztlicher Aufsicht ist nicht nur die gesundheitliche, psychische und soziale Stabilisierung der Abhängigen. Auch die gesellschaftlichen Kosten - durch suchtbedingte Unfähigkeit einer Arbeit nachzugehen und durch Beschaffungskriminalität -, sollen so gesenkt werden.
806 Personen aus der offenen Drogenszene befragt
Für das "Projekt zur Evaluation der missbräuchlichen Verwendung von Substitutionsmitteln in Deutschland" wurden unter anderem 806 Personen der offenen Drogenszene in 13 deutschen Städten anonym zu ihrem Konsumverhalten befragt, berichtete Christian Wickert, einer der Mitautoren der Studie.
Zwei Drittel der Süchtigen berichteten, bereits Erfahrungen mit nicht-verschriebenen Substitutionsmedikamenten zu haben. 13,5 Prozent gaben einen Missbrauch dieser Medikamente innerhalb der vergangenen 24 Stunden zu. 58,7 Prozent hatten bereits einmal illegal erworbenes Methadon eingenommen oder sich das Medikament gespritzt, bei 41,8 Prozent trifft das für Subutex zu.
Jeder zehnte Methadon-Substituierte und fast jeder siebte Subutex-Patient missbraucht zudem nicht-verschriebene Substitutionspräparate zusätzlich zu den Medikamenten der Suchtbehandlung.
Nach der Befragung nehmen 46 Prozent der Patienten außer der Methadon-Therapie auch illegal auf dem Schwarzmarkt besorgtes Heroin, bei Substituierten mit dem Wirkstoff Buprenorphin sind es 43,4 Prozent, berichtete Wickert.
Dies zeige, dass die bisher angezweifelten und international gängigen Missbrauchsquoten bei Substitutionsmitteln auch in Deutschland bestehen, erklärte Dr. Klaus Weckbecker, Suchtexperte und substituierender Arzt aus Bad Honnef. "Der Beigebrauch von Heroin stellt keineswegs die Ausnahme dar, sondern ist bei regulär Substituierten häufig, bei Konsumenten illegaler Substitute fast die Regel", betonten die Autoren. Das gesundheitliche Risiko des Missbrauchs ist bei der Kombination von Methadon mit anderen psychoaktiven Substanzen am höchsten. Dies zeigt eine Fallanalyse Methadon-assoziierter Drogentodesfälle in Hamburg aus den Jahren 1999 bis 2005.
Methadon ist einfach auf dem Schwarzmarkt erhältlich
In den Ermittlungsakten von Polizei und Staatsanwaltschaft aus neun Bundesländern sind die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe allein im Jahr 2007 auf 422 Sicherstellungen nicht-verschriebener Substitutionsmedikamente gestoßen. Diese Zahl sei seit 2003 kontinuierlich gestiegen.
Dabei dominieren Subutex und Methadon die regionalen Drogenmärkte. So gaben 84 Prozent der Befragten an, Methadon sei auf dem Schwarzmarkt einfach zu erhalten, vier von fünf der Befragten bestätigten auch die gute Verfügbarkeit von Subutex.
Suboxone, ein Kombinationspräparat, das die Wirkstoffe Buprenorphin und Naloxon enthält, spiele auf den illegalen Märkten hingegen keine Rolle. Möglicher Grund: Durch die Kombination würden die Rauscheffekte des Beikonsums deutlich verringert und bei intravenöser Einnahme Entzugserscheinungen verursacht, erläuterten die Experten. Ein Missbrauch könnte so wirksam verhindert werden.
"Der Einsatz von Kombinationspräparaten, wie in der Schmerztherapie bereits seit Jahrzehnten gängig, könnte den Missbrauch deutlich verringern", betonte auch Weckbecker. "Patienten, die mit Kombinationspräparaten substituiert werden, werden das Medikament seltener missbrauchen", so seine Erfahrung.
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