Reform der Notfallversorgung
KBV-Chef Gassen wirbt für Notfallgebühr in bestimmten Fällen
Wer in die Notaufnahme eines Krankenhauses rennt, ohne vorher eine Leitstelle anzurufen, soll „gegebenenfalls“ einen Extra-Obolus entrichten, schlägt KBV-Chef Gassen vor. Zwei Argumente sprächen dafür. Klinikvertreter reagieren skeptisch.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. In der Debatte um die Reform der Notfallversorgung hat sich der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, für die Einführung einer Notfallgebühr ausgesprochen.
Wer direkt in die Notaufnahme eines Krankenhauses gehe, ohne vorher eine Leitstelle anzurufen, solle „gegebenenfalls“ eine derartige Gebühr entrichten, „denn das kostet die Solidargemeinschaft unterm Strich mehr Geld und bindet unnötig medizinische Ressourcen, sagte Gassen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) am Mittwoch.
Der KBV-Chef betonte, das System der Notfallversorgung sei grundsätzlich „neu“ zu organisieren. Viele Notaufnahmen seien „verstopft“, weil Menschen dorthin kämen, die keine echten Notfälle seien. „Da fährt ein Rettungswagen raus, weil sich jemand den Finger in der Tür geklemmt hat und dann kommt der Wagen nicht rechtzeitig zu einem Herzinfarkt“, nannte Gassen ein Beispiel.
Deshalb mache es Sinn, Klinik-Notdienst und den ärztlichen Bereitschaftsdienst „virtuell“ zusammenzuschalten. Patientinnen und Patienten ließen sich dann über die 112 beziehungsweise 116 117 per Ersteinschätzung auf die für sie richtige Versorgungsebene lotsen.
Gemeinsamer Tresen? In der Regel wohl nicht
Einen gemeinsamen Tresen in den Notaufnahmen werde es „wohl in der Regel“ nicht geben – einen solchen brauche es auch nicht, betonte Gassen. Eine durchschnittliche Notaufnahme in einem Krankenhaus versorge einen Patienten in der Stunde. Überdies sei fraglich, woher man das Personal für eine solche „Ersteinschätzungsjury“ nehmen solle.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will im Zuge der geplanten Krankenhausreform auch die Notfallversorgung umkrempeln. Geplant sind unter anderem gemeinsame Leitstellen und von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern betriebene Integrierte Notfallzentren, sogenannte INZ.
Über den Umbau der Notfallstrukturen wird in Deutschland seit Jahren diskutiert. Ein entsprechender Reformanlauf unter dem früheren Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert – teils auch am Widerstand der Länder.
DKG: Vorschlag derzeit eher kontraproduktiv
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) reagierte am Mittwoch zurückhaltend auf die Idee einer Notaufnahme-Gebühr. „Wenn wir über Sanktionierungen sprechen, müssen zuerst einmal die Bedingungen erfüllt sein, die gewährleisten, dass alle Patientinnen und Patienten in einer Notfallsituation ideal beraten und gesteuert werden“, sagte DKG-Chef Dr. Gerald Gaß.
Eine medizinische Ersteinschätzung über integrierte Leitstellen der Telefonnummern 112 und 116 117, kurzfristige Terminvermittlung in Arztpraxen und auch unmittelbare Hausbesuche durch den KV-Notdienst seien für die Patienten wichtige Voraussetzungen für eine gute ambulante Notfallversorgung jenseits der Notfallambulanzen der Kliniken, so Gaß.
„Erst wenn diese Voraussetzungen durch die zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen geschaffen sind, kann man darüber nachdenken, ob man von den Patientinnen und Patienten eine Art Strafgebühr erhebt, die diese Beratung und Steuerung ignorieren und den direkten Weg in die Notfallambulanzen suchen.“ Jetzt durch finanzielle Sanktionierung Patientinnen und Patienten steuern zu wollen, sei „kontraproduktiv“ und könne sogar zur Versorgungsverschlechterung führen, warnte Gaß. (hom)