Schleswig-Holstein
KV-Chefin übt angesichts voller Notaufnahmen Selbstkritik
Volle Notaufnahmen, kaum Mittel zur Patientensteuerung: Schleswig-Holsteins KV-Vorsitzende Dr. Monika Schliffke sieht auch die niedergelassenen Ärzte in der Pflicht.
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Die Notaufnahme – für viele Patienten bei Gesundheitsproblemen eine beliebte Anlaufstelle.
© Armin Weigel/DPA
BAD SEGEBERG. Die Notfallambulanzen an den Krankenhäusern laufen über – auch weil zahlreiche Menschen die Einrichtungen in Anspruch nehmen, die dort eigentlich nicht hingehören. Schleswig-Holsteins KV-Chefin Dr. Monika Schliffke sieht die niedergelassenen Ärzte in dieser Frage derzeit in der Defensive und fordert, Lösungen zu finden.
"Im Wesentlichen krankt die öffentliche politische Diskussion an der verbreiteten Fehldefinition des Begriffes Notfall", sagte Schliffke in der jüngsten Abgeordnetenversammlung der KV Schleswig-Holstein. Nach ihrer Wahrnehmung halten viele Menschen schon eine "Befindensänderung, die man selbst nicht einschätzen kann und daher sofort eines Arztes bedarf" für einen Notfall. Folge: Patienten strömen, "wann immer es ihnen genehm ist", an den Praxen vorbei in die Kliniken.
Rekrutierung über Notaufnahme
In den vergangenen fünf Jahren habe der Anteil der Krankenhausaufnahmen ohne ärztliche Einweisung um 25 Prozent zugenommen, die Zahl mit Einweisung habe dagegen abgenommen. "Patientenrekrutierung über die Notfallversorgung ist somit zum Krankenhaus-Überleben inzwischen notwendig", stellte Schliffke kritisch fest.
In diesem Zusammenhang übte sie auch Selbstkritik an den niedergelassenen Ärzten und deren Organisationen. Erstens: Die Bereitschaftsnummer 116.117 ist in der Bevölkerung zu unbekannt – nach ihren Erkenntnissen kennen sie nur um die 30 Prozent der Bürger. "Hier ist sicher Nachholbedarf", stellte sie fest. Zweitens: Die Bereitschaft der niedergelassenen Ärzte, sich im Notdienst zu engagieren, hat nachgelassen.
Schliffke sieht darin "ein offenbar ähnliches gesellschaftliches Phänomen wie bei den jungen Ärzten, die gerne angestellt, gerne in Teilzeit und auf keinen Fall im Notdienst tätig sein wollen."
Von der Politik erwartet Schliffke in diesem Dilemma wenig Unterstützung: "Die ist überwiegend krankenhausnah. Viele Landräte haben noch ihre Kliniken und das bedeutet eben, dass sich die ambulante Versorgung bei diesem Thema immer wieder behaupten muss, obwohl sie es eigentlich nicht nötig hat."
Ein-Tresen-Modell noch "zu neu"
Ein Königsweg als Lösung ist nicht in Sicht. Das im Norden angelaufene "Ein Tresen-Modell" – Klinik und Anlaufpraxis des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes empfangen und steuern Patienten gemeinsam – ist noch zu neu, um Erkenntnisse zu liefern. Den Erfolg eines anderen politisch diskutierten Modells hält Schliffke für fraglich: Hausärztliche Praxen, die den Notaufnahmen vorgelagert werden. "Wer soll das machen, wo sind die Kapazitäten, wie sehen das die Praxen der Region?"
Lösungen müssen her
Fakt ist für sie aber auch, dass niedergelassene Ärzte und ihre Organisationen für das Problem Lösungen finden müssen. Denn sonst könnten Kliniken Hausarztsitze von in Pension gehenden Kollegen aufkaufen, die Sitze in ihre MVZ eingliedern und ihren Weiterbildungsassistenten anbieten, in den so entstehenden Portalpraxen in Klinikhand angestellt zu arbeiten.
Das "wäre für manchen jungen Arzt gegenüber einer Praxisübernahme eine durchaus verlockende Option", so Schliffke. Folge: Die Flächenversorgung ginge weiter zurück: "Das können wir auch nicht wollen."