Aufkauf von Praxissitzen

KV will MVZ-Boom stoppen

In Thüringen gibt es mehr als 100 MVZ. Sie verschärfen aus Sicht der KV den Ärztemangel, weil angestellte Ärzte ein im Schnitt geringeres Arbeitspensum bewältigen als in eigener Praxis niedergelassene. Jetzt hat die KV eine Gegenstrategie entwickelt.

Von Robert Büssow Veröffentlicht:
Schlüsselübergabe: Ein niedergelassener Kollege übernimmt die Praxis - und nicht ein Medizinisches Versorgungszentrum. Damit das in Zukunft besser funktioniert, hat die KV Thüringen ein "Praxiserhaltungskonzept" entwickelt.

Schlüsselübergabe: Ein niedergelassener Kollege übernimmt die Praxis - und nicht ein Medizinisches Versorgungszentrum. Damit das in Zukunft besser funktioniert, hat die KV Thüringen ein "Praxiserhaltungskonzept" entwickelt.

© Kzenon / fotolia.com

WEIMAR. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Mittel: Die KV Thüringen denkt erstmals darüber nach, im großen Stil Praxissitze aufzukaufen, bevor Kliniken sie für ihre Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) vom Markt nehmen.

Der Plan, den der KV-Vorstand ausgetüftelt hat, nennt sich Praxiserhaltungskonzept und wurde der Vertreterversammlung nun in den Grundzügen vorgestellt.

Hintergrund ist kein Kontrollwahn, sondern die ernsthafte Sorge um die medizinische Versorgung, erklärt KV-Vize Thomas Schröter: "Immer öfter werden Praxen an Betreiber von medizinischen Versorgungszentren veräußert, welche die Sitze dann mit angestellten Ärzten besetzen."

Schröter weiter: "Da die Abgabe einer Praxis an ein MVZ in der Regel eine Einbahnstraße ist und angestellte Ärzte ein durchschnittlich geringeres Arbeitspensum bewältigen als in eigener Praxis niedergelassene Ärzte, stehen wir dem Phänomen eines allmählichen Produktivitätsverlustes im System gegenüber."

MVZ meist in Kliniknähe

Mit anderen Worten: Die inzwischen über 100 MVZ in Thüringen verschärfen das Problem des Ärztemangels aus Sicht der KV mancherorts zusätzlich - zumal sie nicht in der Fläche, sondern meist in der Nähe der sie tragenden Kliniken angesiedelt sind. Freie MVZ sind dagegen die Ausnahme in Thüringen.

In der VV wurde der Vorstoß mit einer gewissen Ambivalenz aufgenommen: Wie soll der Kauf von Praxen finanziert werden, stellte Neurologin Konstanze Tinschert die Gretchenfrage. Noch sei das Praxiserhaltungskonzept ein "erster Aufschlag", für den sich der KV-Vorstand lediglich grünes Licht von der VV holen wollte, bevor es um Details geht, so KV-Chefin Annette Rommel. Das Vorhaben liege dem Vorstand sehr am Herzen.

Im Kern wird darüber nachgedacht, das Modell der sogenannten Eigeneinrichtung breiter auszurollen - jene "Niederlassungsfahrschule" also, die bereits seit mehreren Jahren in Thüringen verwaiste Praxen rettet und übergangsweise Ärzte in Anstellung beschäftigt, bis diese der Meinung sind, sie trauen sich die Arbeit in Eigenregie zu.

Träger ist die Stiftung zur Förderung der ambulanten Versorgung, ein gemeinsames Projekt von KV und Landesregierung.

Patiomed war Vorreiter

"Die älteren Kollegen sollen eine Alternative zu den Akquiseangeboten von Klinikträgern erhalten, und zwar seitens unserer Stiftung. Durch die Option, sich in diesen Praxen später selbstständig zu machen, wäre das Problem des irreversiblen Leistungsrückgangs bei Einbringung der Praxen in Klinik-MVZ vermeidbar", so Schröter.

Wer ein solches Angebot erhält und zu welchem Preis, hänge auch von der Lage ab, ergänzte Rommel. Die rechtliche Realisierbarkeit müsse ebenfalls noch geprüft werden.

"Es gibt vielleicht ein paar Fallstricke. Im Grunde begeben wir uns damit auf den Markt", ist sich Schröter möglicher Komplikationen bewusst. Die VV gewährte dem Vorstand freie Fahrt für die Ausarbeitung des Konzeptes. Frühestens 2015 soll es vorliegen.

Völliges Neuland betritt die KV Thüringen damit jedoch nicht. Ein ähnliches Projekt startete die KBV vor vier Jahren mit der privat organisierten und unabhängigen Patiomed AG - ebenfalls als Reaktion auf den MVZ-Boom.

Seitdem ist es allerdings still geworden um Patiomed, die Ärzte bei der Freiberuflichkeit unterstützen soll - Praxisaufkäufe spielen dem Vernehmen nach eher eine untergeordnete Rolle.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Neuer Generationenvertrag

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