Per Telefon und Software

KVen reformieren Patientensteuerung

Das KV-System arbeitet an einem gigantischen Projekt. Ab Sommer soll eine Ersteinschätzungssoftware dabei helfen, Menschen in die richtige Versorgungsebene zu steuern.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Mit Hilfe der Software SmED sollen KV-Mitarbeiter (im Bild KV Hessen) unter der Nummer 116117 Anrufer in die richtige Versorgungsform lenken.

Mit Hilfe der Software SmED sollen KV-Mitarbeiter (im Bild KV Hessen) unter der Nummer 116117 Anrufer in die richtige Versorgungsform lenken.

© KV Hessen

BERLIN. Die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser sind voll mit Menschen, die eigentlich auch vom Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte versorgt werden könnten. Das wollen die Kassenärztlichen Vereinigungen ändern.

Bereits ab Sommer erwartet Menschen, die sich an die bundeseinheitliche Bereitschaftsnummer 116.117 wenden eine Beratung durch geschultes Personal, an deren Ende eine der Dringlichkeit angemessene ärztliche Versorgung stehen soll. Spätestens zum Jahreswechsel soll das System flächendeckend ausgerollt sein.

Unterstützt wird die Beratung durch die „Strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland“ (SmED), eine Software, die in der Schweiz entwickelt worden ist und dort auch eingesetzt wird.

Strukturierte Befragung

Die Software führt strukturiert durch eine medizinische Befragung. Dann gibt sie eine Empfehlung zum Zeitpunkt und Ort der Versorgung ab. „Die Bandbreite kann von einer rein telefonischen Beratung, über die Vermittlung in eine Arztpraxis bis zur Verbindung zum Notruf 112 reichen“, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister bei der Vorstellung der Aktivitäten in Berlin.

Dazwischen lägen zudem die Versorgungsebenen Bereitschaftspraxis, Hausbesuch, Portalpraxis in einem Krankenhaus und die Klinikambulanz. Mit den Ressourcen müsse behutsam umgegangen werden: Ein „Schnupfen“ gehöre nicht in die Notaufnahme, eine „Magenverstimmung“ nicht in den Rettungswagen.

Die Software stelle keine Diagnosen, betonte Dr. Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (Zi). Ihre Endpunkte seien lediglich „Dringlichkeit“ und „Versorgungsort“. Dafür verarbeite sie 85 Leitmerkmale mit spezifischen Risikomerkmalen. Das ergebe eine große Zahl möglicher Kombinationen.

Zi mit im Boot

Das Zi ist in die betriebswirtschaftliche Struktur von SmED eingebunden. Dafür kooperiert das Institut mit der Health Care Quality (HCQS) GmbH, einem Joint Venture des Göttinger Aqua-Instituts mit in4medicine, dem Schweizer Anbieter.

Die HCQS entwickelt die Schweizer Vorlage weiter, bringt das medizinische Regelwerk ein und sichert die Zulassung als Medizinprodukt. Haus- und Fachärzte sowie Ärzte des Marburger Bundes sowie der Verbände der Notfallmedizin DGINA und DIVI bilden beim Zi den Medizinischen Beirat.

Das Verfahren wird bereits im Rahmen eines Innovationsfondsprojektes (DEMAND) getestet, zum Beispiel in Köln und in einem Krankenhaus in Bremen. Künftig soll SmED nämlich auch am gemeinsamen Tresen von KV und Krankenhaus in der Bereitschaftsdienst- und Notfallversorgung eingesetzt werden können.

Nachdem das Terminservice- und Versorgungsgesetz am 11. Mai in Kraft getreten ist, müssen die KVen die 116.117 ab 1. Januar 2019 rund um die Uhr besetzt haben. Derzeit werde bereits das für die Bedienung von SmED erforderliche Fachpersonal nach dem Medizinproduktegesetz ausgebildet. „Niemand muss befürchten, dass ein nicht geschulter Callcenter-Mitarbeiter medizinische Entscheidungen trifft“, sagte Hofmeister. Ärzte seien zudem immer im Hintergrund.

Noch nicht abschließend geregelt ist die Zusammenarbeit mit den Rettungsleitstellen der Landkreise, also der Notrufnummer 112. Gearbeitet werde an einheitlichen Übergabepunkten und Übergabealgorithmen zwischen den Systemen. „Die Rettungsdienstorganisationen sind auf Landkreisebene unterschiedlich aufgestellt“, sagte Hofmeister. Er sei optimistisch, dass sich die Zusammenarbeit schnell harmonisiere.

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