Czaja im Interview
"Kammer kann Pflege stärken"
Jetzt wird es auch in Berlin ernst: Im Oktober startet der Berliner Gesundheitssenator seine Initiative zur Gründung einer Pflegekammer. Springer Medizin sprach mit Mario Czaja (CDU) über seine Beweggründe und die Vorteile einer Verkammerung der Pflegeberufe.
Veröffentlicht:Mario Czaja (CDU)
Aktuelle Position: Senator für Gesundheit und Soziales in Berlin.
Werdegang/Ausbildung: Versicherungskaufmann, seit 2010 Betriebswirt nach berufsbegleitendem Fernstudium, Diplomarbeit über "Betriebswirtschaftliche Chancen und Risiken des Modells Praxisklinik für den niedergelassenen Facharzt".
Karriere: 2001 bis 2011 gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, seit 2006 stellvertretender Fraktionsvorsitzender.
Privates: geboren 1975 in Berlin.
Springer Medizin: Die Alice Salomon Hochschule Berlin führt seit August eine Studie zur Akzeptanz einer Pflegekammer in Berlin durch, unterstützt durch Ihre Senatsgesundheitsverwaltung. Welches Ziel verfolgen Sie ?
Mario Czaja: Die Errichtung einer Pflegekammer wird auf Landesebene intensiv diskutiert. Mit der Studie wollen wir ermitteln, wie die Beschäftigten in der Pflege zur Einführung einer Pflegekammer stehen und was sie von dieser erwarten. Dies ist wichtig, um nicht an dem Bedarf der Betroffenen vorbei zu planen.
Sie haben sich wiederholt öffentlich für die Errichtung einer Pflegekammer in Berlin ausgesprochen. Welche Vorteile sehen Sie in einer Verkammerung der Pflegeberufe?
Czaja: Ich registriere, dass der Ruf nach einer Pflegekammer lauter wird. Die in der Pflege Tätigen versprechen sich davon mehr Selbstbestimmung, eine eigene Berufsordnung sowie eine verbindliche Beteiligung zu Fragen der beruflichen Pflege. Ich stehe einer solchen Kammer positiv gegenüber, sie wäre ein geeignetes Instrument, um die Pflegeberufe zu stärken.
Kritiker der Kammer befürchten zusätzliche Bürokratie , bemängeln die Zwangsmitgliedschaft und Pflichtbeiträge. Können Sie diesen Bedenken begegnen?
Czaja: Richtig ist, eine Pflegekammer dient der Selbstverwaltung und sie erhebt Pflichtbeiträge. Dies ist nötig, um eine angemessene berufliche und fachliche Interessenvertretung zu gewährleisten. Die Pflegekammer steht auch nicht in Konkurrenz zu Berufsverbänden oder Gewerkschaften. Die fachlichen, organisationsspezifischen Themen sind dort weiterhin gut aufgehoben. Dazu genügt ein Blick auf andere Kammern. Neben diesen sind spezifische Verbände und Organisationen auch erhalten geblieben.
Schon die Senatskampagne zur Altenpflege des Landes Berlin "Gepflegt in die Zukunft" zielt darauf, den Pflegeberuf aufzuwerten und den Fachkräftemangel abzuwenden. Haben Sie ein besonderes Faible für die Pflege oder sind es eher die nackten Zahlen, die Sie zum Handeln zwingen?
Czaja: Berlin wächst, und das ist eine gute Nachricht für die Entwicklung dieser Stadt. Berlin wird aber auch älter. Im Jahr 2030 werden in der Hauptstadt fast doppelt so viele über 80-Jährige leben wie heute. Mit dem Alter steigt auch die Zahl der Pflegebedürftigen, 2030 werden es 170.000 in Berlin sein. Damit wir auch in Zukunft gut gepflegt werden, müssen wir schon heute handeln.
Daher haben wir die Altenpflegekampagne gestartet, um mehr Fachkräfte zu rekrutieren. Aber wir unternehmen noch mehr, um die Pflege zu stärken. Für die ambulanten Pflegedienste konnten wir in diesem Jahr eine Vergütungssteigerung von drei Prozent vereinbaren. Und wir stellen die Praxisanleiter von Auszubildenden in der stationären Pflege ab 2015 für zweieinhalb Stunden pro Woche und Azubi frei.
An Pflegende sollen zunehmend auch ärztliche Aufgaben delegiert werden können. Für die Ärzte sind daher Normen in Aus- und Fortbildung der Pflegenden von Interesse. Könnte hier aus Ihrer Sicht eine Pflegekammer wertvolle Arbeit leisten?
Czaja: Eine starke Vertretung der Berufstätigen in der Pflege kann zu einer klaren Normierung in der Ausbildung beitragen. Dies wird auch im Rahmen der Pflegereform mit der generalistischen Ausbildung in der Pflege angestrebt.
Mit dem Pflegeberufegesetz steht ja eine stärkere Akademisierung der Pflegeberufe bevor. Eine konsequentere Evidenzorientierung der Pflege dürfte auch auf die Ärzte zurückwirken. Wären hier Ärzte- und Pflegekammern als Partner prädestiniert, um die in der Pflegepraxis gewonnenen Ergebnisse aufzubereiten und Pflegenden, aber auch Ärzten zur Verfügung zu stellen? Könnte Ihrer Meinung nach eine solche Zusammenarbeit funktionieren?
Czaja: Das ist denkbar und begrüßenswert. Aber wir sollten einen Schritt nach dem anderen gehen. In Berlin beginnen wir jetzt mit der Befragung zur Akzeptanz der Pflegekammer. Damit bekommen wir auch ein Meinungsbild zur Errichtung einer Pflegekammer. Das sollten wir abwarten.
Das Vorhaben, eine Pflegekammer zu gründen, stößt auf Kritik aus der Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Gesundheitsexperte der Linksfraktion und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, der Arzt , Dr. Wolfgang Albers, sagt beispielsweise, dass schon die geringe Beteiligung an entsprechenden Befragungen zur Pflegekammer in anderen Bundesländern das Desinteresse der Pflegenden signalisiere. Wie soll in Berlin gesichert werden, dass sich eine repräsentative Gruppe von Pflegenden an der Befragung beteiligt?
Czaja: Wie bereits erwähnt, kann eine Pflegekammer nur existieren, wenn sie von einer breiten Basis getragen wird. In der Studie zur Akzeptanz einer Pflegekammer im Land Berlin möchten wir die Positionen der an der Debatte Beteiligten aufnehmen sowie die Gründe für diese Haltung und die daran geknüpften politischen Wünsche erfragen.
Mit diesen Experteninterviews eröffnet die mehrteilige Studie. Alle Interview-Antworten, die bis zum 21. September bei der Alice-Salomon-Hochschule eingegangen sind, werden ausgewertet und bilden die Grundlage für den Fragebogen zur Befragung der Pflegefachkräfte.
Die Ergebnisse aus den Interviews und der daraus entstandene Fragebogen werden auf einer Informationsveranstaltung der Alice-Salomon-Hochschule im Krankenhaus Neukölln am 14. Oktober 2014 vorgestellt werden.
Die im zweiten Teil der Studie stattfindende Befragung richtet sich an Pflegefachkräfte, die in Berlin arbeiten. Von ihnen werden 1000 zufällig ermittelt und in einer Face-to-Face-Befragung, die in der Zeit zwischen Ende Oktober 2014 und Anfang März 2015 stattfinden wird, um ihre Meinung gebeten. Die Zusammensetzung der Befragtengruppe entspricht der Zusammensetzung der aktuell in Berlin beschäftigten Pflegefachkräfte.
Wie optimistisch sind Sie, ein Kammergesetz auf den Weg zu bringen und die dafür notwendige Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu finden?
Czaja: Ich halte die Pflegekammer für eine gute Einrichtung zur Interessenvertretung der Pflegenden. Und ich bin zuversichtlich, dass viele Menschen in Berlin diese Ansicht teilen.
Das Interview führte Heike Ottow