Honorarstreit

Kassen nehmen KVWL in die Pflicht

Im Honorarstreit haben die Kassen die KV Westfalen-Lippe aufgefordert, bis zur nächsten Verhandlung am 4. Oktober mäßigend auf Ärzte einzuwirken. Antwort der KV: Die Kassen sollen lieber ihren Spitzenverband zügeln.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Bürokratie in Praxen: Die Ankündigung, Kassenanfragen zu ignorieren, stößt bei Kassen auf Kritik.

Bürokratie in Praxen: Die Ankündigung, Kassenanfragen zu ignorieren, stößt bei Kassen auf Kritik.

© Michael Möller / fotolia.com

KÖLN. Die KV Westfalen-Lippe (KVWL) plant die Vertreterversammlung am Samstag ganz im Zeichen der Ärzteproteste. Viele Sachthemen werden voraussichtlich von der Tagesordnung verschwinden - um Platz für die Debatte über die Honorarauseinandersetzung mit den Krankenkassen zu schaffen.

Die Kassen haben den KVWL-Vorstand inzwischen aufgefordert, in der Auseinandersetzung nicht die Versicherten zu instrumentalisieren.

Viele der geplanten Protestaktionen, die auch vom KV-Vorstand unterstützt werden, richteten sich nur vordergründig gegen die Kassen, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben an den KVWL-Vorsitzenden Dr. Wolfgang-Axel Dryden.

Der Vorstand müsse klarstellen, dass sich die Praxen bis zum 4. Oktober - dem nächsten Verhandlungstermin auf Bundesebene - ausschließlich der Patientenversorgung widmen, verlangen sie.

Die Kassen fordern die KVWL zudem auf, zur sachbezogenen Zusammenarbeit vor Ort zurückzukehren. Dazu gehöre es, Gespräche auf Fachebene weiterzuführen.

"Ich habe Verständnis dafür, wenn zum jetzigen Zeitpunkt Honorarverhandlungen oder Vorgespräche abgesagt werden", sagt der Vorstandsvorsitzende der AOK Nordwest Martin Litsch der "Ärzte Zeitung".

Vertrauen erhalten

Dass aber auch Treffen auf operativer Ebene - etwa zum Sprechstundenbedarf oder der Arzneimittelvereinbarung - gestrichen würden, könne er nicht nachvollziehen. "Es geht um Themen, die wir gemeinsam weiterentwickeln wollen."

Die Kassen seien weiter an einer guten und sachorientierten Zusammenarbeit mit der KVWL interessiert, betont Litsch.

Das kann auch KVWL-Chef Dryden unterschreiben. "Um das Vertrauen und ein partnerschaftliches Verhältnis zu erhalten, müssen sich aber beide Seiten anstrengen."

Er vermisse, dass die Kassen in Westfalen-Lippe mäßigend auf den GKV-Spitzenverband einwirken, zum Beispiel wenn es um die Diskreditierung von Ärzten gehe.

Bei den Gesprächen, die von der KVWL verschoben wurden, gebe es keine besondere Dringlichkeit, sagt Dryden.

Auch die Kritik an der Haltung der KV zu den Protestmaßnahmen kann er nicht nachvollziehen.

"Wir haben die Mitglieder nicht aufgefordert, Kassenanfragen zu boykottieren, sondern sie dann zu erledigen, wenn ihnen neben der Patientenversorgung Zeit bleibt."

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 22.09.201213:43 Uhr

Mäßigung für 0,9% mehr GKV-Umsatz beim Orientierungspunktwert?

Zur heutigen Vertreterversammlung der KVWL habe ich an den KVWL-Vorsitzenden Dr. Wolfgang-Axel Dryden gestern geschrieben:

Sehr geehrter Herr Kollege Dryden,
im Anhang sende ich Ihnen zwei Kommentare zum umstrittenen Prognos-Gutachten des GKV Spitzenverbands Bund der Krankenkassen, mit der eine 7-prozentige Absenkung des Orientierungspunktwertes begründet werden sollte. Der derzeit heftig kritisierter Kompromissvorschlag des Essener Gesundheitsökonomen Prof. Jürgen Wasem mit plus 0,9% steht in krassem Gegensatz zur ursprünglichen KBV-Forderung von plus 11%.

Unter http://www.springermedizin.de/prognos-gutachten-seltsame-zahlen-tollkuehne-ableitungen/3187080.html habe ich begründet, die immerwährende Verwendung eines fiktiven klinischen Oberarztgehaltes von 105.000 € brutto vor Steuern aus dem Jahr 2007 unterschlägt, dass es sich dabei um einen angestellten Arzt o h n e unternehmerisches Risiko handelt. Dass der Arbeitgeber Gehaltsrisiken für Fort- und Weiterbildung (Rechtsanspruch mind. 10 Tage), Qualifizierungsmaßnahmen, Krankheitsausfälle, Haftungsrisiken unterhalb von grober Fahrlässigkeit/Vorsatz und arbeitsmedizinische Schutz- und Fürsorgepflichten trägt. Außerdem finanziert der Arbeitgeber noch hälftig Kranken-, Renten- und Sozialversicherung. Das sind etwa ein Drittel zusätzlich, 35.000 € Mehrbedarf pro Jahr, die ein freiberuflich tätiger Arzt selbst aufbringen muss.

Das Prognos-Gutachten nutzt lediglich Daten des Deutschen Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de) von 2009, welche veraltete Investitions- und Kostenstrukturen bei Arztpraxen von 2007 beschreiben. Honorarerhöhungen der Ärzte halten sich im Rahmen. Die ärztliche Leistungsmengenanforderung von 2008 bis 2011 ist in vier Rechnungsjahren als ''unbereinigter Bruttoleistungsbedarf'' nur um 6,4 Prozent, also um 1,6 Prozent plus pro Jahr, angestiegen. Die Zahl der Behandlungsfälle ist im gleichen Zeitraum um 4,8 Prozent, entsprechend 1,2 Prozent plus pro Jahr, angestiegen. Von 2007 bis 2012 kolportiert das Prognos-Gutachten einen durchschnittlichen Mietanstieg von 4,79 Prozent - offenkundig sind die Gutachter der Meinung, die bundesweite Mietspiegelentwicklung würde ausschließlich an Praxisräumen evaluiert. Der Anstieg der Bruttolöhne und Gehälter habe lt. Prognos im gleichen Zeitraum 7,96 Prozent betragen – nur dass die Mitarbeiter/-innen in 5 Jahren Tätigkeit auch höhere Gehaltstarifgruppen erreichen, blieb undiskutiert. Beim Energiebedarf war die schweizerische Prognos hellwach: Kostenanstieg um 19,30 Prozent von 2007 bis 2012 wurde konstatiert.

Auch der Spitzenverband Bund ("Spibu") der Gesetzlichen Krankenkassen selbst sollte den Ball flach halten. Das von ihm in Auftrag gegebene Prognos-Gutachten ist wie ein Kartenhaus zusammengebrochen.
Prognos hat lediglich mit allgemeinen Verbraucherdaten von www.destatis.de gearbeitet. Betriebswirtschaftliche Analysen (BWA) und bei selbstständig tätigen Vertragsärzten übliche Einnahmen-Überschuss-Rechnungen (EÜR) wurden negiert. Der Gipfel war die Verwendung des Begriffes "Stückkosten" im Prognos-Text: "Es ist jedoch plausibel anzunehmen, dass bspw. die Verbreitung neuer Gerätegenerationen, die Delegation von Leistungen auf medizinische Fachangestellte und moderne Formen des Praxismanagements die Kosten der Leistungserstellung reduzieren helfen. Im Modell lässt sich dies mit einer jährlichen Senkung der Stückkosten abbilden...". Rationalisierungsreserven liegen weiter darin, "dass Gemeinschaftspraxen (GP) geringere Stückkosten aufweisen als Einzelpraxen (EP)..." Zitat aus:
http://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/pressekonferenzen_gespraeche/2012_2/120809_prognos_gutachten/PK_20120809_Gutachten_Orientierungswert_Prognos_AG.pdf

Wie bei Humanmedizinern üblich, sollte nicht von industriellen
"Stückkosten", sondern von ''Patientinnen und Patienten'' und Praxiskosten gesprochen werden. Ansonsten muss der GKV-Spitzenverband sei

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