Kassen sollen Organspende-Votum anstupsen
Jeder Bürger soll sich mehr Gedanken über die Organspende machen. Für die Entscheidungslösung gibt es jetzt einen Gesetzentwurf. Doch der lässt viele Details im Dunkeln.
Veröffentlicht:BERLIN. Monatelang wurde hinter den Kulissen verhandelt, jetzt gewinnt die Debatte über eine Novelle des Transplantationsgesetzes an Tempo.
Nachdem Abgeordnete aller Fraktionen des Bundestags in der vergangenen Woche eine Grundsatzeinigung über die Neuregelung der Organspende erreicht haben, wurde am Montag ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt.
Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) lobte den Gruppenantrag als einen großen Erfolg. Es sei wichtig, über die Organ- und Gewebespende zu informieren.
"Jeder, der sich nicht selbst erklärt, lastet die Entscheidung seinen Angehörigen auf. Die müssten in einer schwierigen Situation diese Entscheidung treffen", sagte Bahr bei der Vorstellung des Entwurfs am Montag in Berlin.
Danach soll jeder Mensch in die Lage versetzt werden, "sich mit der Frage seiner eigenen Spendebereitschaft ernsthaft zu befassen".
Privatversicherer auch in der Pflicht
Jeder Bürger über 16 Jahre soll "ausdrücklich" aufgefordert werden, "eine Entscheidung zur Organspende abzugeben". Dieses Modell soll an die Stelle der bisherigen erweiterten Zustimmungslösung treten.
Außer Landes- und Bundesbehörden werden dafür insbesondere die gesetzlichen Krankenkassen und die Unternehmen der PKV-Branche in die Pflicht genommen.
Sie sollen ihre Versicherten über die Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende informieren sowie über die Voraussetzungen der Organ- und Spendeentnahme bei toten Spendern.
Auch der Nutzen für Kranke, die auf ein Organ oder eine Gewebespende warten, soll dabei erläutert werden. Die maßgebliche Vorgabe dabei lautet: "Die Aufklärung soll die gesamte Tragweite der Entscheidung umfassen und muss ergebnisoffen sein."
Dass die Krankenversicherung die Menschen informiert und aufklärt, hält Bahr angesichts des "sensiblen" Themas für den besten Weg. Aufgabe der Kassen soll es auch sein, "fachlich qualifizierte Ansprechpartner für Rückfragen der Versicherten zu benennen".
Wer diesen "Auskunftsdienst" leistet, legt der Gesetzgeber nicht fest - das soll den Kassen überlassen werden. Ärzte als Ansprechpartner erwähnt der Gesetzestext im übrigen nicht.
Abfrage alle zwei Jahre - zunächst
Der Gesetzentwurf macht zudem Vorgaben, dass die elektronische Gesundheitskarte als Speichermedium der Entscheidung dienen soll.
Denn das Informationsmaterial, das die Versicherten zur Organspende bekommen, soll ihnen zusammen mit der Gesundheitskarte ausgehändigt werden. Privat Krankenvollversicherten sollen die Informationen mit der Beitragsmitteilung erhalten.
Solange Versicherte noch keine Gesundheitskarte erhalten haben, auf der sie ihre Entscheidung dokumentieren können, sollen sie alle zwei Jahre erneut das Informationsmaterial von ihrer Kasse oder Versicherung erhalten.
Dabei ist es den Versicherten freigestellt, ob sie zur Dokumentation die Gesundheitskarte nutzen oder nicht. Wie bisher können sie dies auch in Papierform tun.
Grundlegend für das ganze Verfahren ist die Freiwilligkeit. Wörtlich heißt es, dass "niemand verpflichtet werden kann, eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende abzugeben".
Die neue Regelung setzt voraus, dass die Versicherten ihre Erklärung mit einer PIN geschützt auf der Gesundheitskarte dokumentieren können. Dafür müssen sie Zugriffsrechte zum Schreiben, Lesen, Ändern oder Löschen auf der Karte erhalten.
E-Card-Tests ab 2014
Mit der technischen Umsetzung wird die Gesellschaft für Telematik beauftragt. Denn die derzeit ausgegebenen Gesundheitskarten sind nicht dafür vorbereitet, die Organ- und Gewebespendeerklärung zu speichern.
Die Tests dazu, heißt es im Gesetzentwurf, könnten "frühestens 2014 beginnen."
Außerdem will Bahr in Krankenhäusern Anreize setzen, um die Organisationsabläufe bei Transplantationen zu verbessern. Dazu hatte er bereits im vergangenen Jahr das Änderungsgesetz für das Transplantationsgesetz eingebracht. Noch im März soll es beraten werden.
Jedes Krankenhaus soll verpflichtet werden, einen Transplantationsbeauftragten zu bestellen. Dadurch solle der Verlust an Organspenden, der durch organisationsbedingte Defizite hervorgerufen werde, verringert werden, so Bahr.