Kooperation angemahnt
Kassenärzte kritisieren Lauterbachs Konzept der Gesundheitskioske
Gegenwind für das Projekt Gesundheitskioske: Die Vertragsärzteschaft vermisst im Konzept der Bundesregierung eine enge Anbindung an die Arztpraxen. Und die Krankenkassen kritisieren das geplante Finanzierungsmodell.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Am Mittwoch hat Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) Eckpunkte für die bundesweite Einrichtung von Gesundheitskiosken vorgestellt. Die sollen in den Kommunen, vor allem in sozialen Brennpunkten, als erste Anlaufstellen für Menschen ohne Kenntnisse des Gesundheitssystems und der deutschen Sprache dienen.
Erste Ansprechpartner könnten dort zum Beispiel Gemeindeschwestern und -pfleger sein. 1000 dieser Einrichtungen sind angepeilt. Vorbild ist der Gesundheitskiosk in Hamburg-Billstedt. Enger Partner der Kioske soll nach den Vorstellungen des Ministers der Öffentliche Gesundheitsdienst werden.
Eckpunkte vorgestellt
Regierung will Netz von 1000 Gesundheitskiosken aufbauen
Zi: Praxen sind die zentralen Orte der Versorgung
„Der zentrale Ort, an dem haus- und fachärztliche Versorgung in der Stadt und auf dem Land stattfindet, sind aber die niedergelassenen Arztpraxen“, wendet der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried ein.
Es komme deshalb auf eine enge Kooperation an, nicht nur in der Durchführung einfacher medizinischer Routineaufgaben auf ärztliche Veranlassung. Als Beispiel nannte von Stillfried die Ernährungsberatung für Diabetiker, die auf andere Elemente des Therapie-Managements abgestimmt sein müssten.
Die Evaluation des Projekts in Hamburg habe gezeigt, dass ein Kiosk dann erfolgreich sei, wenn ein Netz von Praxen aktiv dahinterstehe und Patienten für bestimmte Fragestellungen aktiv an den Kiosk verweise.
Stillfried spricht in diesem Zusammenhang konkret das „social prescribing“ an, bei dem Menschen in der Zusammenarbeit von Arztpraxen und sozialen Einrichtungen zum Beispiel darin unterstützt werden, Isolation zu überwinden, um so gesundheitsfördernde Effekte zu erzeugen.
IKK: Daseinsvorsorge muss steuerfinanziert sein
Nachdem bereits der AOK-Bundesverband Zweifel am Finanzierungskonzept der Kioske angemeldet hatte, hat sich am Donnerstag auch die Interessenvertretung der Innungskrankenkassen zu Wort gemeldet. „Es kann nicht sein, dass auch hier wieder vor allem die gesetzliche Krankenversicherung die Lasten tragen soll“, monierte der Geschäftsführer der Interessenvertretung der Innungskrankenkassen Jürgen Hohnl.
Im Eckpunktepapier sei davon die Rede, dass die Kioske Daseinsvorsorge betreiben sollten. Die dürfe aber nicht beitrags-, sondern müsse steuerfinanziert sein, mahnte Hohnl am Donnerstag an. Die Politik sollte daher das Finanzierungskonzept dringend überdenken.
Die Kassen sollen nur dann für den Betrieb der Kioske mitbezahlen, wenn dies auch die Kommunen tun. Ausweislich der Eckpunkte des Gesundheitsministers sollen die Kassen mit einer jeweiligen Beteiligung von 74,5 Prozent der Kosten den Löwenanteil übernehmen müssen, die Kommunen sollen 20 Prozent beisteuern, die Private Krankenversicherung 5,5 Prozent.
SÄLK: Teure Parallelstruktur
Kritik kommt auch aus den Ländern: „Mit der flächendeckenden Einrichtung von Gesundheitskiosken wird kein einziges der eigentlichen und aktuellen Versorgungsprobleme gelöst“, sagte Erich Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer. „Hier wird eine teure Parallelstruktur aufgebaut, die von den eigentlichen Herausforderungen ablenken soll.“
Es gebe schon eine Vielzahl an Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Patienten bei den Krankenkassen, Selbsthilfeeinrichtungen, den Einrichtungen zur Gesundheitsförderung und den Gesundheitsämtern. Es sei zu erwarten, Gelder aus der medizinischen Versorgung abgezogen würden, um die Gesundheitskioske zu finanzieren. Ein Beispiel dafür sei die zusätzliche Vergütung einer Medikationsberatung für Apotheker, die bisher vom Arzt allein erfolgt sei.
Bodendieck forderte Lauterbach dazu auf, zunächst eine Reform der Krankenhausstrukturen und der ambulanten Versorgung in Angriff zu nehmen, bevor neue Strukturen geschaffen würden. Diese könnten die medizinische Versorgung vielleicht in Hamburg, aber nicht auf dem Land verbessern. (af/sve)