Kassenchef fordert Klinikschließungen

Deutschland, ein Hort voller Krankenhäuser? Vor allem Krankenkassen monieren die vergleichsweise hohe Dichte an Kliniken. Jetzt fordert ein Kassenchef die radikale Kehrtwende. Denn: Vor allem kommunale Häuser sind tief in den roten Zahlen.

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Kassenchef Straub: Teure und große Strukturen.

Kassenchef Straub: Teure und große Strukturen.

© bild13 / imago

BERLIN (nös). Im europäischen Vergleich hat Deutschland ganz eindeutig die Nase vorn, und auch international belegt die Bundesrepublik einen Spitzenplatz: Mit 8,2 Krankenhausbetten je 1000 Einwohnern ist Deutschland im OECD-Vergleich beinahe unübertroffen. Nur Japan legt mit 13,7 Betten noch einen drauf.

Für den Chef der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub, ist dieser Zustand unhaltbar: "Es gibt heute zu viele Krankenhäuser und vor allem zu viele Krankenhausbetten", sagte er der Montagsausgabe der Zeitung "Die Welt".

Schlimmer noch: "Wir leisten uns Strukturen, die größer und teurer sind als in anderen Ländern." Straubs Forderung: Weg von der strikten Trennung zwischen ambulant und stationär.

Der Chef von Deutschlands größter Krankenkasse legt damit seinen Finger in eine offene Wunde der Kliniken. Dem jüngsten Krankenhausbarometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) zufolge, haben knapp 70 Prozent der gut 2000 Krankenhäuser einen Überschuss erwirtschaftet.

Im Umkehrschluss heißt es aber auch, dass 30 Prozent unter dem Strich gerade eine Null stehen haben oder in den roten Zahlen stehen.

Veraltete Strukturen verändern

Bereits im Frühjahr kamen Forscher des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) zu dem Schluss, dass gut jede zehnte Klinik rote Zahlen schreibt.

Problemkinder sind vor allem die Häuser in öffentlicher Trägerschaft: Hier hat jedes fünfte Haus (21 Prozent) ein hohes Insolvenzrisiko.

Das RWI-Resümee damals: 200 Kliniken droht die Schließung. Institutspräsident Professor Christoph Schmidt regte daher eine "Abwrackprämie" für Kliniken an. Sein Vorschlag: "Lieber eine bessere Struktur schaffen, als etwas aufrecht zu erhalten, was nicht mehr funktionieren kann."

Ins gleiche Horn stößt nun Barmer-GEK-Chef Straub. "Die Kliniken sollten den ökonomischen Druck nutzen, um die veralteten Strukturen zu verändert", sagte er der "Welt".

Zuvor hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) anlässlich des laut DKI verhaltenen bis negativen Ausblicks für das kommende Jahr ein Moratorium beim Sparbeitrag gefordert.

Der war 2010 mit dem GKV-Finanzierungsgesetz eingeführt worden. Danach soll bei der Klinikvergütung in diesem Jahr gut eine halbe Milliarde Euro gespart werden.

CDU: Sparbeitrag absenken

Jüngst kam aus der Union der Vorstoß, den Sparbeitrag drastisch zu reduzieren. Als Grund nannte der CDU-Politiker Lothar Riebsamen vor allem gestiegene Personalkosten durch die jüngsten Tarifabschlüsse.

Die Kassen sehen das freilich völlig anders. Kurz vor Jahresende sprach der GKV-Spitzenverband anlässlich der DKI-Zahlen von "rosigen Zeiten" für die Kliniken.

"Angesichts dieser Zahlen hat das routinemäßige Jammern von Krankenhausvertretern keinen Bezug zur Realität", monierte eine Verbandssprecherin.

Und sie legte noch einen drauf: Von einem Sparbeitrag könne gar keine Rede sein, denn die Zuweisungen an die Krankenhäuser würden im kommenden Jahr um rund 2,5 Milliarden Euro steigen.

Ambulant-stationäre Einheiten

Kassenchef Straub will ebenso wenig wie sein Spitzenverband an den Einsparungen rütteln. "Es ist nicht sinnvoll, die Sparmaßnahmen im Krankenhausbereich zurück zu nehmen, um teure Krankenhausstrukturen einfach aufrecht zu erhalten", sagte er der "Welt".

Sein Problem sind die starren Sektorengrenzen. An dem traditionellen Nebeneinander von ambulant und stationär müsse sich etwas ändern. Vieles könne bereits ambulant geleistet werden.

Für Straub bedeutet das, künftig mehr Operationen ambulant vorzunehmen. Generell sollten niedergelassene Ärzte und Klinikärzte in Zukunft mehr Überschneidungen in ihrem Leistungsspektrum haben.

Das hieße dann aber auch, das es eine "einheitliche Vergütung für bestimmte medizinische Leistungen, die ambulant und stationär erbracht werden", brauche.

In der gesamten Versorgungslandschaft erwartet Kassenchef Straub mehr "ambulant-stationäre Einheiten" sowohl auf dem Land als auch in Ballungsgebieten.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 02.01.201213:07 Uhr

Stationär-ambulanter Verschiebebahnhof der BEK-GEK?

Dazu muss man wissen, dass der neue Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. med. Christoph Straub, zuvor im Vorstand der umstrittenen Rhön-Klinikum-AG tätig war. Diese AG ist darauf spezialisiert, schwächelnde und scheinbar notleidende Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft für einen "Spottpreis" aufzukaufen, um mit energischen Sanierungsmaßnahmen, gewinnbringenden Investitionen, Leistungsverdichtung und Personalabbau möglichst schnell den kapitalisierenden "break-even-point" zu erreichen.

2006 hat beispielsweise die Rhön-Klinikum AG 95 Prozent der Geschäftsanteile des Landes Hessen an der "Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH" zu einem G e s a m t k a u f p r e i s von 112 Millionen Euro erworben und sich gleichzeitig zu Investitionen in Höhe von 367 Mio. Euro, davon 260 Mio. Euro an Neu- und Umbauten verpflichtet. Beide Universitätskliniken beinhalten 2.376 Planbetten (1.191 Gießen und 1.185 Marburg). Bereits im ersten Halbjahr 2007 habe das privatisierte hessische Klinikum rund 400 000 Euro Überschuss erwirtschaftet:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/rhoen-klinik-giessen-marburg-aus-den-roten-zahlen/2846010.html
Die Rhön-Klinikum AG hat für das Geschäftsjahr 2010 i n s g e s a m t einen Konzerngewinn von 145 Millionen Euro verbucht. Wen wundert es dann eigentlich noch, wenn die unliebsame Bettenkonkurrenz kaputtgespart oder gleich geschlossen werden soll. Und die dafür sprießende fach- und spezialärztliche ambulante OP-Landschaft wird spätestens vom Barmer-GEK-Vorstand kupiert, wenn d o r t die Kosten ansteigen.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dipl.-Med Wolfgang Meyer 02.01.201208:11 Uhr

Schließen, Ausgliedern, Entlassen ...!!!

Herr Dr. Straub sollte sich zunächst einmal an der Reduzierung der 23% Verwaltungskosten bei den gesetzlichen Krankenkassen beteiligen, und dies bei einer Vergütung gemäß Sanierungstarifvertrag für seine BEK, dann können wir uns über Sparmaßnahmen ala McKinsey et al. weiter unterhalten!

Dr. Peter Schimmelpfennig 02.01.201200:24 Uhr

Krieg der Gesundheitsdienstleister

Erst kommt die Meldung, Krankenkassen seien große "Bürokratiemonster" und es bestünde ein Multimilliardeneinsparpotential. Dann wird die alte "Kassen-Mär" von dem Zuviel von Krankenhausbetten und dem Überschuss von Krankenhäusern angeführt(Retoukutsche?).
Es handelt sich offensichtlich um ein Ringen zwischen Kassen und Krankenhausträgern. Vorsicht, hier wird scharf geschossen. Man darf gespannt sein, wann die beiden Streithähne dann wieder in trauter Eintracht den Niedergelassenenbereich "aufmischen". Nichts Neues im besinnlichen Jahresübergang.

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