Kassenfinanzen: Jetzt soll es die BÄK richten

Weil die Politik es offenbar nicht kann, müssen jetzt die Ärzte ran: Der Ärztetag hat die Bundesärztekammer aufgefordert, ein eigenes Finanzkonzept für das Gesundheitswesen zu entwickeln. Die PKV dürfte dabei eine große Rolle spielen.

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Applaus vom Präsidenten: die BÄK soll ein eigenes Finanzkonzept für die GKV erarbeiten.

Applaus vom Präsidenten: die BÄK soll ein eigenes Finanzkonzept für die GKV erarbeiten.

© Wawarta

NÜRNBERG (fst/HL). Der Deutsche Ärztetag hat den Gesetzgeber aufgefordert, die PKV zu stärken. Das Modell der Bürgerversicherung lehnten die Delegierten ab.

Der Ärztetag hat den Vorstand der Bundesärztekammer aufgefordert, 2013 ein eigenes Konzept zur Finanzierung des Gesundheitswesens vorzulegen.

Dieses müsse auf den Prinzipien der Freiberuflichkeit und der Eigenverantwortung aufbauen. Die von Politikern vorgestellten Pläne ließen "kein zukunftsfähiges Konzept erkennen".

Zuvor hatten die gesundheitspolitischen Sprecher von CDU und SPD, Jens Spahn und Professor Karl Lauterbach, ihre jeweiligen Konzepte erläutert. Spahn bezeichnete sowohl GKV als auch PKV als modernisierungsbedürftig, sprach sich aber für die Behaltung der beiden Versicherungssäulen aus.

Lauterbach skizzierte das Modell einer Bürgerversicherung, in die Neuversicherte automatisch integriert werden sollen. Der Status bestehender PKV-Versicherter bleibe unberührt: "Wir enteignen niemanden", sagte Lauterbach.

Als Ergebnis seiner Beratungen hat der Ärztetag am Mittwoch den Gesetzgeber aufgefordert, die aufgelaufenen Überschüsse der GKV in zweistelliger Milliardenhöhe für die medizinische Versorgung freizumachen.

Widersprüche zur Praxisgebühr

Die vor einem schwierigen konjunkturellen Hintergrund Ende 2010 im Rahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes beschlossenen Sparmaßnahmen haben sich angesichts aktueller "Rekordüberschüsse im zweistelligen Milliardenbereich" nach Auffassung des Ärztetages als unbegründet erwiesen und sollten deshalb in die Gesundheitsversorgung fließen, hieß es.

Konkret fordert der Ärztetag:

  • Die Begrenzung des Zuwachses bei den Erlösbudgets der Kliniken muss abgeschafft werden. Auch die Kostenentwicklung in Krankenhäusern müsse berücksichtigt werden.
  • Nachteilige Sockeleffekte bei der Fortschreibung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für die Vertragsärzte sollten vollständig ausgeglichen werden.
  • Ferner wird darauf hingewiesen, dass alle EBM-Kalkulationen auf einem Punktwert von 5,11 Cent basieren, der tatsächliche Punktwert aber deutlich darunter liege. Das führe zu einer chronischen Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung.

Widersprüchlich ist die Beschlussfassung zur Praxisgebühr. Einerseits unterstützt der Ärztetag "ausdrücklich" die Absicht von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, die Praxisgebühr abzuschaffen.

Eine derart konkrete Absicht von Bahr gibt es aber tatsächlich gar nicht, wie er am Dienstag bei der Eröffnung des Ärztetages deutlich gemacht hatte.

GBA bei IGeL nicht legitimiert

In einem weiteren Antrag fordert der Ärztetag den Gesetzgeber auf, die nicht zielführende Diskussion über die Abschaffung der Praxisgebühr zu beenden und stattdessen konkrete Alternativen mit wirkungsvollen Steuerungseffekten für die Inanspruchnahme von Leistungen zu entwickeln.

In einem dritten Antrag wird die Forderung nach Abschaffung der Praxisgebühr an den Vorstand verwiesen.

Angesichts der mit zunehmender Heftigkeit geführten Debatte über Individuelle Gesundheitsleistungen betont der Ärztetag nochmals deren Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit.

Dazu haben Bundesärztekammer und KBV gemeinsam mit freien Verbänden eine aktualisierte Information für Ärzte über den Einsatz von IGeL herausgegeben.

Strikt abgelehnt wird eine Anti-IGeL-Initiative der SPD-Bundestagsfraktion. Der Ärztetag hält den Gemeinsamen Bundesausschuss für nicht legitimiert, via Nutzenbewertungen über die Zulassung von IGeL zu entscheiden. Denn der GBA sei ausschließlich für die gesetzliche Krankenversicherung zuständig.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 23.05.201220:09 Uhr

Inbrünstige Inkompetenz?

Der Deutsche Ärztetag und die Bundesärztekammer (BÄK) sind mit allen Kolleginnen und Kollegen für die Grundlagen der ärztlichen Berufsausübung vom Pathologen bis zur Transplantationschirurgie zuständig. Für Aus- und Weiterbildung, die Facharztordnung, Fragen der medizinischen Ethik vom Schwangerschaftsabbruch über Palliativmedizin bis zur Sterbehilfeproblematik. Und für die formale und inhaltliche Ausgestaltung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).

Selbstverständlich kann und soll das "Ärzteparlament" über alle Fragen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit Politik, Öffentlichkeit und Medien offen diskutieren. Aber die ärztlich-medizinische Kernkompetenz und verantwortliche Zuständigkeit liegt eindeutig bei den KVen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit der Kollegin Regina Feldmann und Kollege Andreas Köhler an der Spitze.

Wer jetzt ausgerechnet die BÄK auffordert, sich um die GKV-Kassenfinanzen, um Praxisgebühren, um EBM-Kalkulationen mit einem Punktwert von 5,11 Cent und um GKV-Krankenhausabrechnungsmodalitäten zu kümmern, der ersetzt sinnvolle Arbeitsteilung und Zuständigkeiten durch ein generalisiertes Kompetenzwirrwarr. Wie sollen Patienten, Politik, Medien und Öffentlichkeit bei kniffligen Fragen um IGeL-, GKV-Leistungen und rein privatärztlicher Tätigkeit bzw. Forderungen nach leistungsgerechter Vergütung unterschiedlicher ärztlicher Tätigkeiten noch differenzieren und die Sachkompetenz von BÄK und KBV auseinanderhalten können? Wenn alle nur durcheinander und am liebsten über Kreuz mit inbrünstiger Inkompetenz über die jeweiligen Fachgebiete der Anderen schwadronieren möchten, bitte sehr!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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