Internet
Kinder oft ungewollt mit Pornografie konfrontiert
Kinder und Jugendliche werden einer Studie zufolge sehr früh und oft ungewollt mit sexuell expliziten Inhalten im Internet konfrontiert.
Veröffentlicht:STUTTGART. Nach einer repräsentative Befragung von Kommunikationswissenschaftlern der Universitäten Münster und Hohenheim in Stuttgart hat fast die Hälfte der 1048 befragten 14- bis 20-Jährigen angegeben, „Hardcore-Pornografie“ mit entblößten Geschlechtsteilen gesehen zu haben. Bei der jüngsten Teilgruppe, den 14- und 15-Jährigen, ist es immerhin ein Drittel. Rund die Hälfte dieser "Online-Funde" kommt ungewollt zustande.
Die Online-Befragung, die in einer Publikation des Springer Verlags demnächst erscheint (DOI 10.1007/978-3-658-18859-7_5), erlaubt nach Angaben der Autoren auch erstmals generalisierbare Aussagen über die soziale Situation und das individuelle Erleben der Jugendlichen beim Erstkontakt mit pornografischen Bildern oder Filmen. „Die Ergebnisse legen nahe“, unterstreicht Prof. Thorsten Quandt vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster in einer Pressemitteilung, „dass Kinder und Jugendliche mit etwas konfrontiert werden, was sie weder sehen wollen, noch richtig verstehen."
„Von den Mädchen gaben knapp 60 Prozent an, dass der Kontakt zu pornografischen Inhalten ungewollt war, bei den Jungen waren es nur 37 Prozent“, erklärte dazu Jens Vogelgesang von der Uni Hohenheim. Das bei der Befragung angegebene durchschnittliche Alter für solche Erstkontakte lag bei 14,2 Jahren. Die Studie zeige zugleich, dass sie früher stattfinden. So gehe aus den Angaben der 14- und 15-Jährigen hervor, dass sie im Durchschnitt erst 12,7 Jahre alt waren, als sie erstmals Pornografie im Netz sahen. Der Zugang erfolge zu 70 Prozent über Laptop, Computer oder Smartphone.
Pornographie weiter Tabuthema
„Da die Mediennutzung oft heimlich passiert, müssen Kinder und Jugendliche mit der Verarbeitung dieser Inhalte allein und ohne elterliche oder schulische Einflussnahme zurechtkommen“, so Quandt. Der Umfrage zufolge spricht mehr als die Hälfte der Jugendlichen nach dem Erstkontakt mit niemandem darüber, nur 4 Prozent diskutieren den Vorfall mit Lehrern oder Eltern. „Eltern und Lehrer spielen nur eine nachgeordnete Rolle. Das Fehlen von Orientierung durch Erziehungspersonen ist ein ernstes Problem“, mahnt der Kommunikationswissenschaftler.
Die Studie führe deutlich vor Augen, dass die Erstkontakte im heutigen Online-Zeitalter schon sehr früh stattfinde, selbst mit teilweise jugendgefährdenden Inhalten, ergänzt Quandt. Zudem verdeutlichten die Befunde, dass es sich nicht um ein randständiges Mediennutzungsphänomen handelt. Es sei vielmehr eine weit verbreitete Form der jugendlichen Mediennutzung.
Nach Auffassung von Vogelgesang legen die Studienergebnisse außerdem nahe, dass das holzschnittartige Bild des einsamen männlichen Porno-Nutzers in Teilen falsch ist. Und: Trotz der gestiegenen Offenheit in der Gesellschaft und vieler Aufklärungskampagnen gelte weiterhin: „Das Reden über die eigene Sexualität ist unter vielen Jugendlichen noch immer ein Tabuthema, mit dem sie entweder weitgehend allein gelassen werden oder das sie mit ihren Freunden erkunden.“ (run)