KBV-VV

Klare Absage an starre Terminvergaben

In der Diskussion um Wartezeiten hat die KBV klare Kante gezeigt: Von der Politik will sie sich nicht vorschreiben lassen, wie die Terminvergabe geregelt werden muss. Schlimmstenfalls riskiert KBV-Chef Gassen mit dieser Position einen Streit.

Wolfgang van den BerghVon Wolfgang van den Bergh Veröffentlicht:
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Veröffentlicht: 26.05.2014 © Springer Medizin

DÜSSELDORF. In der Frage der Vermittlung von Facharztbesuchen durch Servicestellen legt es der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, auf einen Streit mit der Bundesregierung an. "Falls der Politik eine flexible Lösung nicht passen sollte und sie letztlich doch vorschreiben will, wie zu verfahren ist, dann werden wir uns nicht verbiegen", sagte Gassen vor den Delegierten der KBV-Vertreterversammlung am Montag in Düsseldorf.

Das Bundesgesundheitsministerium habe der KBV signalisiert, auf enge gesetzgeberische Vorgaben verzichten zu wollen, wenn die Selbstverwaltung eine Lösungsmöglichkeit biete. "Das werden wir tun", versicherte der KBV-Chef.

Er habe den Eindruck, dass mit der Diskussion um die Wartezeiten auf einen Facharzttermin ein Scheinriese aufgebaut worden sei, wie man ihn eher aus den Kindergeschichten von Jim Knopf kenne.

Es müsse erlaubt sein zu hinterfragen, ob es sich bei der Diskussion wirklich um eines der drängendsten Probleme handelt. Nach seiner Wahrnehmung geht es um die Beseitigung eines "allenfalls punktuellen" Problems.

Die Bestätigung für seine Auffassung erwartet Gassen durch eine Versichertenbefragung der KBV durch die Forschungsgruppe Wahlen. Darin werde man Versicherte gezielt und detailliert nach ihren Erfahrungen mit Wartezeiten befragen.

Als "Humbug" bezeichnete der KBV-Vorsitzende die Position des GKV-Spitzenverbandes, der nicht müde werde zu behaupten, dass das Wartezeiten-Problem eine Frage der Verteilung sei.

Bemüht um Interessenausgleich

Der in diesem Zusammenhang oft favorisierte Einsatz der Telemedizin bewertet Gassen eher skeptisch, nicht nur weil die Verhandlungen mit den Kassen zäh verliefen. Darüber hinaus versuchten die Kassen, die Kosten für die Telematik-Infrastruktur mit denen der Telemedizin zu verrechnen.

Einer solchen Verrechnung werde man nicht zustimmen. Schließlich wies der KBV-Chef auf die Mitversorgereffekte hin. Das ZI der KBV habe herausgefunden, dass sich Patienten nicht automatisch für die ihrem Wohnort nächstgelegene Praxis entschieden, sondern dort einen Arzt aufsuchten, der verkehrstechnisch gut zu erreichen sei.

Gassen: "Er ist nicht zwingend nötig, in jedem Ort, der auf dem Papier unterversorgt ist, die Zahl der Ärzte aufzustocken."

Zur Kernfrage der innerärztlichen Zerstrittenheit äußerte sich Gassen zurückhaltend. "Wir machen das gemeinsam und mit einem fairen Interessenausgleich." An die Adresse der Politik gerichtet, machte er klar, sich nicht "von außen gestalten zu lassen".

Eine wortgetreue Umsetzung der Parität im Koalitionsvertrag sei mit dem geltenden Rechtsrahmen nicht machbar. Dazu müsste das SGB V umgeschrieben werden. Gassen befürchtet zudem ein freies Spiel der Kräfte, zum Nachteil aller grundversorgenden Haus- und Fachärzte, mit dem Effekt der gegenseitigen Kannibalisierung.

Das Thema sei in erster Linie eine Funktionärsdebatte und überlagere entscheidendere Dinge, so Gassen. Dafür gebe es Hinweise aus einer gemeinsam mit dem NAV-Virchowbund im Frühjahr initiierten Befragung unter 10.000 Ärzten.

Altersvorsorge in Gefahr?

Nach Auswertung von 6200 Antworten von Ärzten und Psychotherapeuten habe sich etwa gezeigt, dass sich die Suche nach einem Praxisnachfolger offenbar immer schwieriger gestalte. So plane fast jeder Vierte, seine Praxis in den nächsten fünf Jahren abzugeben.

Die Hälfte davon suche bereits aktiv nach einem Nachfolger - dies gelte für Hausärzte stärker als für Fachärzte. Drei Viertel empfinden diese Suche als "sehr schwierig" oder "eher schwierig".

Auch wenn die Werte "Spaß" und "Zufriedenheit" mit der ärztlichen Tätigkeit weiterhin sehr hoch seien, stellten die Befragten eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen fest, so Gassen. Weiterer Kritikpunkte: kaum Möglichkeiten, sich seinen Patienten mehr zuzuwenden, sowie mangelnde Planungssicherheit.

Als erschreckend bezeichnete Gassen, dass fast drei Viertel der Befragten meinten, dass die Praxis ihre Funktion der Altersvorsorge verloren habe. Der KBV-Chef: "Das ist ein Skandal."

Und weiter in Abwandlung an Heines "Nachtgedanken": "Denk ich an meine Praxis in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht."

In diesem Zusammenhang bekräftigte Gassen, weiter auf Image-Kampagnen zu setzen. Schwerpunkte in diesem Jahr sind Qualität und medizinischer Nachwuchs. Erst vor wenigen Tagen hatte die KBV die Kampagne "Lass Dich nieder" gestartet.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Neue Harmonie und Geschlossenheit

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Kommentare
Dr. Christian Schulze 27.05.201407:58 Uhr

Das ewige Hausarzt Facharzt Gehabe ist doch das Problem...

Wenn die Ärzteschaft vor Ort wollte, dass eine adäquate Versorgung mit zeitnahen Terminen für wirklich dringende Patientenfälle (vermutlich sehr kleine Minderheit außer im Bereich Psychiatrie), dann gäbe es ja immer noch abseits der Gesetze aus Berlin die Möglichkeit, sich lokal vor Ort zu informieren und zusammen zu sprechen. Wir machen das bei uns und es geht ganz gut. Diese kurzen Wege, wo der Hausarzt zum Gateopener wird, werden natürlich von keinem registriert und erwähnt. Das könnte ja die Gefahr bergen, dass der Hausarzt sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Haus- und Facharzt in der Presse gut darzustellen wäre. Aber gute Nachrichten sind ja schlechte Nachrichten und bringen wenig Quote...
Monetäre Anreizsysteme könnten hier wie im Nordosten belohnend eingeführt werden. Die ambulante Medizin ist immer noch chronisch unterfinanziert und hier könnte sinnvoll vorhandenes Geld eingesetzt werden. Alternativ kann die Politik auch weiter schlechte Strukturen und Abläufe durch Unterfinanzierung zementieren und warten bis sich der ambulante Sektor mehr oder weniger aufgelöst hat. Dann regelt alles die Gemeindeschwester aus dem Parteiprogramm der SPD und es läuft! Dann brauchen wir auch nur noch Geld für Krankenhäuser und Medikamente, nur dann 100% statt 80% des Gesamten Etats.

Dr. jens wasserberg 26.05.201417:33 Uhr

Nur eine komplette Verweigerung der Termingarantie wäre eine klare Kante gewesen

Eine klare Kante wäre es, wenn die Ärzteschaft die Termingarantie, die weder inhaltlich noch juristisch umsetzbar ist, der Politik ganz alleine überlassen würde.
Nun ist sie aber mit in der Haftung und die Politik hat einen Dummen gefunden, dem sie das absehbare Versagen in die Schuhe schieben kann. Schließlich sollte selbst die Politik langsam gemerkt haben, dass nicht noch mehr Planwirtschaft in der ambulanten Medizin die Lösung sein kann. Solange die Versorgung echter Kranheiten nicht mit echtem und ausreichend Geld bezahlt wird, solange wir es diese Art von Problemen geben. Schade, dass die KBV da nicht klarer Nein sagt.

Dr. Wolfgang Bensch 26.05.201414:04 Uhr

Klare Kante nach innen oder nach außen?

Der Gesundheitsminister Gröhe äußert sich im einmem FAZ-Interview dazu ganz anders:
"Es ist beachtlich, wie schnell aus der Ärzteschaft Vorschläge kommen, um das Probem zu lösen. Die Ärzteschaft sei bereit, sich zu bewegen und sie hat selbst in der Hand: Je kürzer die Wartezeiten, desto weniger werden Terminservicestellen zu tun haben.“

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